Michael Müller
Fallen ist etwas Schönes, sich fallenlassen, sich auffangen lassen. Sich gefallen lassen. Fallen ist ein Abgrund, unberechenbar, schwindelnde Tiefen, herausfallen, aber auch fallen gelassen werden. Was aber geschieht, wenn wir aus der Rolle fallen? Hat dies im Theater eine relevante Bedeutung, ist es gar zwingend notwendig?
Im Schultheater ist die Rolle ist gar nicht mehr so von der Rolle wie noch vor wenigen Jahren. Diesen Beweis wollte wohl das Schultheater der Länder 2023 mit dem Motto „ROLLE“ in Trier antreten.
Wenn ein*e Theaterschaffende*r im Lehrer*innenzimmer vor noch wenigen Jahren berichtete, sie würden sich an einen „Klassiker“ heranwagen, stieg der staubige Muff der 1950er und 1960er aus den Kellern der Schulen in die betretenen Gesichter der Kolleg*innen. Gab es denn für so ein fragwürdiges Unterfangen überhaupt einen triftigen Grund, Ansätze, Arbeits- und Ausbildungsgrundlagen? Da denkt sich so mancher Performanceradikaler, diese Themen sind doch nicht aus der Welt der Jugendlichen und wenn doch, so gehören sie (hoffentlich an anderer Stelle) methodisch zeitgemäß aufgearbeitet.
Denn die Rolle trennt nicht nur die Geister, sie trennt in den Schulaufführungen sogar heute noch oft klar zwischen Spielenden und dem Charakter, den diese zu verkörpern haben. Dort liegt die vielzitierte Kluft zwischen Schüler*innenwesen und Rollenwesen bzw. der Figur auf der Bühne. Methodisch stellt sich in somit immer wieder die Frage nach den Möglichkeiten und Mechanismen der Aneignung einer Rolle.
„Wenn man eine Rolle spielt, sich in die eigenen Eltern, einen Polizisten, einen Flüchtling hineinversetzt, verstehe ich deren Haltungen besser, ich kann mich eben dann auch in andere Menschen besser hineinversetzen.“1Leiter des Schultheater-Studios Joachim Reiss spricht im Interview mit der FR über Rollenspiele und warum Theater ein Schulfach werden muss. „In den anderen hineinversetzen“ Frankfurter Rundschau 09.01.2019
Was der hier zitierte Leiter eines Schultheaterstudios aus Frankfurt uns hier anno 2019 so ganz unverblümt unterbreitet, wirkt wie ein Überbleibsel längst vergangener Tage des Theaterspiels, die wir allerdings auch noch immer in der Schulrealität vorfinden. Herr Reiss behauptet, dass eine Rolle durch das eigene Handeln in einer Quasi-Realität innerlich verarbeitet wird und Empathie erzeugt. Die auf der Bühne konstruierte Situation, nehmen wir einmal das Beispiel einer Verhaftung eines Asylbewerbers, Gewalt in der Ehe oder Kinderarmut, lässt sich als eine „So tun als-ob“-Situationen konstruieren. Gar durch das Nachspielen der Konflikte mit einer Rollenzuweisung würde die Erfahrung zu „Erkenntnissen“ führen. Das Nachspielen der Figur transformiert somit in seiner Absicht festgefahrene Muster und öffnet den Raum für neue Verhaltensformen.
Dieser Gedankenansatz ist auch in Therapie-Verfahren immer wieder anzutreffen: „Fühlen Sie sich in Ihr Gegenüber eine, stellen Sie sich vor die Person zu sein, die Sie …!“ Lassen Sie doch gerne einmal einen Haftinsassen einen Polizisten spielen, um sich besser in seine eigene Verhaftung einzufühlen. Wir erfüllen in diesem Fall die Rollentypisierungen und sind nahe an unserem eigenen vorgefertigten Klischee und Erfahrungsspielraum. Ein Tausch der Rollen bzw. der Positionen kann zwar in ein Rollenspiel übergehen, lenkt aber den Blick ab von der notwenigen Auseinandersetzung mit ihr. Wir werden den Polizisten in uns auf diese Weise sicher nicht finden, sondern aus unseren reichlich vorhandenen Kriminalseriensehgewohnheiten das Passende reproduzieren.
Nun wenden einige ein: „Mit der uns eigenen Fantasie schlüpfen wir in jeden Charakter, der Mensch ist geradezu dafür geboren ständig Rollen durchzuspielen!“ Dies führt uns direkt zu den klassischen Texten des Literatur-Kanons, der zurzeit eine erstaunliche Renaissance im Schultheater erlebt. Große Figuren der Zeitgeschichte füllen mit der Darbietung ihres tragischen Schicksaals erneut wieder die Schulaulen. Da können Darsteller*innen durchaus die Abgründe einer Figur wie Julius Cäsar, Antigone oder Maria Stuart zugemutet werden. Oder wenn es schon kein Polizist sein soll, dann eben gleich der Richter in „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist.
„Na ja, ob ich wirklich ich bin, ob ich bei mir bin, ob ich die Dinge mache, die ich machen will, oder die Dinge, die andere machen, und ich gar nicht wirklich ich bin.“2Bonn Park, Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser), Münchner Volkstheater 2023
Verfolgen wir die Spur weiter und legen als Voraussetzung in den Proben fest, dass jede*r tatsächlich eine Figur spielt und die Frage nach deren historischer oder leiblicher Identität sei nicht von Bedeutung. Die Spieler*in kommuniziert losgelöst in einem System, in dem jetzt folgende Verabredung gilt: Nur das, was ich in diesem Moment zeige, bin ich auch jetzt, also ganz ähnlich wie Selbstdarstellungs-Apps und artverwandtes funktionieren, löst sich die Figur in einer Be-Real Situation gänzlich von seiner historischen Behauptung ab.
Die Spieler*in wäre in diesem Moment Julius Cäsar per Ermächtigung durch den Text und seine Aussage. Sie fügt nichts hinzu, sie kommentiert nicht. Sie ist einfach sie selbst als Figur Cäsar körperlich unverstellt anwesend. Die vom Theater oft als Voraussetzung verlangte Reibung von Rollenidentität und der Person des Schauspielers würde somit entfallen. Wenn ich der Idee einmal weiter folge, dann unterläuft die Aufführung der Pflicht oder dem Anspruch, dass eine Spieler*in ein Stück mit intrinsisch geführter Motivation aufführt. Es wird lediglich situativ aufzeigt, was der Text aussagt. Bleiben wir weiterhin beim Beispiel Julius Cäsar: Das Aufeinanderprallen von Freiheitsbestrebung und tyrannischer Herrschaftsform, die Motivation des Attentats können allenfalls vorgetragen, ins Bild gesetzt werden, ein persönlicher Kommentar entfällt. Die Figur bleibt eindimensional wie die Oberfläche eines Mobil-Phones. Alles Weitere wird dem Zuschauer überlassen.
Martina Leeker geht in ihrer „kritischen Medienreflexion im Postdigitalen Schultheater“ sogar noch einen Schritt weiter. Laut ihrer Theorie hätten die neuen Medien nun eine „Neuorganisation […] in unserer Psyche und in unserer (Anmerk: aller?) Körperlichkeit hervorgebracht“, die eine bestimmte Art des Theaters nicht mehr bedienen könne. Statt einer klaren Trennung zwischen Spielrolle und Wirklichkeit sowie zwischen Handeln (durch Schauspielende) und Denken (durch Zuschauende) als Charakteristika des antiken Theaters, ziele das Theater im Zeitalter elektronischer Kommunikation auf eine Durchlässigkeit der „Grenzziehung zwischen Spielwirklichkeit und Wirklichkeit“ und eine „Reintegration von Denken und Handeln“. Einen großen Stellenwert nimmt in diesem Zusammenhang auch die Improvisation ein, bei der für Leeker die Interaktion anfängt: „Ich weiß nicht, was geschehen wird, ich muss mich völlig auf den Moment einlassen…“ Interaktion wird in diesem Sinne als zentrales Konzept des Theaters im Zeitalter elektronischer Kommunikation identifiziert, die originale Rollenabsicht tritt auch in diesem Fall in den Hintergrund zugunsten einer spontanen Figur.
Eine solche Form der Darstellung erfordert selbst bei professionellen Schauspieler*innen ein hohes Maß an Virtuosität und Selbstreflexion. Die „Spontanität“ muss vor allem durch das Wissen über den Kontext gelenkt werden. Es bleibt dabei offen, ob eine solche Methode, die den klassischen Text allenfalls als Denkvorlage nimmt, bei Schüler*innen nicht zu einer Nabelschau oder Selbstbeschäftigung und Selbstdarstellung gerät. Wie auf dem SDL-Festival 2023 erlebt kann ein Julius Caesar problemlos in eine Influencer-Show überführt werden, die sich fragt, was denn „so nice“ an der Tyrannei ist. Die Rolle muss besonders in dieser Stückanlage mit einer historischen Textur versehen werden. Sie macht es unabdingbar sich intensiv mit den Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Die Verweise auf eine Art „totalitäre Ekstase“ wie sie in diesem (von zukünftigen Lese*innen des Artikels Leser*innen jetzt nicht gesehenen) Interpretierungsversuch auf der Bühne angelegt wurden sollten eine intensive Warnung an alle sein, klassische Stücke nicht zu Karnevalsveranstaltungen verkommen zu lassen. Differenzierung ist gefragt, Verweise auf etwas, das exemplarisch aufzeigt, für uns zukunftsprägend wäre. Hier sehe ich nach wie vor, bei aller lobenswerter Mitbestimmung durch die Spieler*innen, eine entscheidende Aufgabe der Spielleitung. Mit welchem Wissensvorsprung, mit welcher Art von Vorbereitung trete ich vor die Gruppe? Wissen meint hier nicht gleich Macht, sondern Weitergabe, Anstoß, Verantwortung. Ich diskutiere mit der Gruppe unter welchen Voraussetzungen sie das Thema und die Figuren greifen können und wollen. Mit welchem Anliegen treten wir auf die Bühne, wie erziele ich Emanzipation und Haltung zum historischen Kontext? Wir müssen zunächst davon ausgehen, dass historische Stücken bei Spieler*innen auf Defizite treffen. Im Verlauf der Arbeit kann sich dies völlig verändern, weil diese selbst in den Kontext einsteigen, ihre Lebensrealitäten anwenden und Bezüge herstellen ohne (hoffentlich) aber den historischen Sachverhalt stumpf zu duplizieren. Spieler*in und Leiter*n zeigen: Ich bin an deinem Wissen und deiner Einschätzung interessiert. Wir sollten mit Defiziten umgehen lernen, zugleich auch betonen: Wie toll, dass wir dies alles miteinander ernsthaft forschen. Denn der Text und seine Message sind unter einem bestimmten Ideenniveau nicht mehr verhandelbar, schon gar nicht in einem Instagram-Format, das auf die maximale Zustimmung der Zuschauer*innen abzielt. „More likes“ heißt eben nicht per se, dass wir alles richtigmachen. Denn noch sind wir nicht bei allgemein zustimmungspflichtigen (Schul-)Aufführungen angelangt.
Ein kleiner Trost: Auch professionelle Inszenierungen wie die von Bonn Park sind nicht davor gefeit ziemlich schnell in das Fahrwasser haltloser politischer Kommentare zu geraten.
„Hier Caesar: Ich mach alles kaputt, ist mir egal, und ich bleib auch lang im Amt … Danke nach Rom … Hier noch O‑Töne von Dingen, die brennen und explodieren und sterben.“
Der große Gedankenbogen führt uns also vom Rollentausch über Rollenaneignung, der Ablehnung der Rolle bis zur Aneignung im Augenblick. Doch wir sind noch nicht ganz am Ende des Rollenspektrums.
Was die Trennung von Handeln und Denken angeht, kann der Einwand erhoben werden, dass eine „wesentliche Mitgestaltung“ der Teilnehmenden einer Theaterproduktion das Werk in eine „gemeinsame Urheberschaft“ bringen, also einen neuen Kontext er-denken und aus-handeln, Voraussetzung für jeden theatralen Arbeitsprozess ist. Die Aneignung der Rolle und ihre Wirkung sollen grundsätzlich in einem so weitreichenden Maße diskutiert und hinterfragt werden, dass wir ihre (fiktionale) Welt gänzlich durchdringen. Nur so kann sie eine Grundlage für eine Figur und praktisches Handeln auf der Bühne bilden. Das Theater muss sich der Aufgabe stellen, klassische Stücke auf die heutige Zeit zu übertragen, sie transparent machen für die aktuellen Belange unserer Gesellschaft und Wirklichkeiten differenzieren. Das (Schul-)Theater sollte es ermöglichen, auch Stücke aus dem klassischen Kanon in einem neuen den Schüler*innen nahen Zusammenhang abzubilden. Aber wie tönt zum Beispiel Shakespeares Sonett 129 aus des Schülers Mund:
Verbraucht vom geist in schändlichem verzehr
ist lust in tat / und bis zur tat / ist lust
Meineidig / tierisch / grausam / roh / des lugs bewusst.
Es ist ein schmaler Grat zwischen zeitgeschichtlichem Hintergrund (siehe bei Cäsar die Wut der Plebejer / Spaltung bis zum Bürgerkrieg) und aktuellen gesellschaftlichen (siehe bei Trump / Sturm auf das Kapitol / Spaltung bis zum Bürgerkrieg) sowie persönlichen Geschehnissen bzw. innerlichem Engagement, auf dem wir uns bewegen.
„In wie entfernter Zeit wird man dies hohe Schauspiel wiederholen, in neuen Zungen, ungebornen Staaten.“3Cassius in Caesar von William Shakespeare, Rowohlt Theaterverlag, Hamburg
Womit wir mit diesem vortrefflichen Zitat ein weiteres Dauerthema zum Rollen bringen: Die Aktualisierung und Dekonstruktion von klassischen Vorlagen. Die Kunst einen gewichtigen Klassiker des Theaters kräftig zu entschlacken, den Originaltext zu zerlegen und auf ein aussagekräftiges Minimum herunterzubrechen. „Schon das so genannte Pop-Theater der Neunziger nahm alles leicht, was an den Dramen unzugänglich erschien, kleidete Shakespeare, Tschechow und Schiller in Showkostüme vor Videocollagen oder schlug mit dem Vorschlaghammer eine Goethe-Büste in Stücke. Dahinter steckte eine Portion Rebellion gegen die Regieüberväter jener Epoche und ihr Pathos, eine Sozialisation durch Pop-Punk, sowie der drängende Wunsch, endlich mal von sich selbst zu erzählen. Auch wenn es da oft außer nächtlicher Euphorie, Medienkonsum und ersten Liebesschmerzen noch gar nicht so viel Drama und Erfahrung gegeben hatte, worüber sich das Erzählen für andere lohnte.“4„Die Räuber” in Hamburg, Kritik Süddeutsche Zeitung, 1. Oktober 2021
Beim SDL Festival 2023 wurden bei einigen Beiträgen Versuche unternommen, die bekannten Stoffe des Theaterkanons von vielen/allen Kausalitäten des Originaltextes zu befreien. Die Spielerinnen performten mit adaptierten wie eigenen Texten und Improvisationen, mit geradezu kabarettistischem Aderlass von Ernst und Sinn und zum Teil wagemutigen Stückanalysen. Der Eindruck entstand, dass die klassischen Stückvorlagen offenbar ganz im Geiste aktueller professioneller Theaterströmungen (1990er Revival) als Inspiration zur freien Assoziationen dienten, ihre Motive und Zitate beziehungsweise Verweigerungen und Kommentare einen ganz und gar eigenständigen Theatereindruck erzeugen sollten. Nicht die Geschichte des Stoffes an sich, sondern Akte des Geschehens dieser Stoffe wurden präsentiert. Das geriet manchmal ein wenig zu refreshed, zu angestrengt jung und von der Leitung allzu dramaturgisch kalkuliert. Einige Aufführungen befanden sich größtenteils oder ganz und gar in einer Kommentarfunktion und wurden umgedichtet, Greta Thunberg mal flugs auf eine Protestpappe reduziert. Außerdem konnte man bei den Texten, die eine lange Tradition und Aufführungsgeschichte haben, nicht davon ausgehen, dass das uneingeweihte Publikum den Inhalt dieser Stücke meist schon kannte oder dass es damit bereits Erfahrungen gemacht hatte.
In den besonders gut gelungenen Momenten, wo wir auf eine stringente Haltung zum Originaltext trafen, kam es zu einer Art Bestandsaufnahme menschlicher Interaktion, Gefühle und Situationen, die das Geschehen vorantrieben und (Schultheater-) Horizonte öffneten. Gerade die Ernsthaftigkeit auf der Bühne wusste dort zu überzeugen.
Somit befinden wir uns beim letzten „Rollover“ und wenden uns dem ewigen Rollenstreit zu. Was gilt denn nun als das „Schöne, Wahre, Echte“ bei der Figurenentwicklung für das Schultheater? Grundsätzlich wäre gegen eine Erarbeitung einer klassischen Vorlage längst nichts mehr einzuwenden. Dies ist ganz unabhängig davon zu sehen, wie und ob die Gruppe sich vom Original lediglich inspirieren lässt, eine kontrollierte Sprengung einer viel zu engen Schublade vornimmt oder szenisch gekürzt hat, gar den Versuch unternimmt alles Antiquierte, Pompöse und Kitschige samt Drama und Handlungsstrang wegzufegen. Zusätzlich gibt es auch noch die unbedingte Notwendigkeit der textfreien Vorgänge, die natürlich genauso stark und viel erzählen können.
Diese Suche ist immer wieder riskant, aber auch durchaus lustvoll, denn sie beschreibt nicht immer gleich ein Ziel, hat den Mut, sich ins offene Gelände zu begeben. Nie sollte außer Acht gelassen werden, das hervorzubringen, was eine Spieler*in ausmacht, ihre Persönlichkeit in der Figur durchschimmern zu lassen und klarzustellen in welchem System sie/er sich bewegt. Denn die Rolle wird letztendlich erst durch das Interpretieren ihrer Absicht erst zur Figur.
Ein weiteres Hauptaugenmerk sollte bei unserem Tun als Leiter*in darauf liegen, wie die Spieler*innen in ein fantasievolles Miteinander kommen, wie sie kritisch hinterfragen und spielerisch verhandeln. – eigentlich eine Binsenweisheit. Wie gelingt es uns die besonderen Momente der Textidee herzustellen, sie aus ihrer Tradition herauszulösen und sie der jungen Generation in ihrer Absicht, Brüchigkeit, Ernsthaftigkeit (und ggf. Selbstironie) plausibel zu machen? Stellen wir aus heutiger Sicht die richtigen Fragen an das Stück, welche zentralen Motive und welche Grundidee verbergen sich in seiner Aussage? Diesen Fragen muss sich aber auch ein professionelles Staatstheater bitte recht häufig stellen. Und nicht alles und jedes lässt sich in die heutige Zeit transferieren, weil nun mal die gesellschaftlichen Strukturen, Ereignisse, Ideen und Zwänge der damaligen Zeit historische Figuren bestimmen.
Schließen möchte ich mit den Worten der Regisseurin Leonie Böhm: „Ich würde mir auch wünschen, dass das Publikum ein sinnliches Erlebnis hat, das zur Einsicht in die eigenen Handlungsmöglichkeiten führt und ein Gefühl von Gemeinschaft erzeugt.“6 Hier gibt uns eine Regisseurin mit schlichten Worten die Kraft auch weiterhin an die Poesie des Theaters zu glauben, ob wir nun aus der Rolle fallen oder nicht! Denn letztendlich gilt doch: „Was wir vermochten, haben wir getan. Wir haben uns dargestellt.” 5Die Jungfrau von Orleans, Inszenierung Leonie Böhm, Malersaal Schauspielhaus 2023