SCHUL.THEATER

Fokus

GesellschaftsROLLEN

Engagement für Klima und Umwelt

von Ina Drie­mel, Lukas Gün­ther, Micha­el Aust

Rol­len in der Gesell­schaft defi­nie­ren sich nicht nur aus Funk­tio­nen und Macht, son­dern aus Ideen, Phi­lo­so­phien und Ideo­lo­gien, die jemand mehr oder weni­ger enga­giert ver­tritt. Aus die­ser Per­spek­ti­ve ver­wun­dert es nicht, dass in ver­schie­de­nen Auf­füh­run­gen Gedan­ken der Öko­lo­gie und des Umwelt­schut­zes wenigs­tens mitschwangen.

Am Offen­sicht­lich erschien dies in Strand abwärts der Max Kirms­see-Schu­le Idstein/Hessen zu beob­ach­ten. Dort prä­sen­tier­ten sich die Spie­len­den schon in der Vor­re­de als Akti­vis­ten im Sin­ne einer bes­se­ren Welt, hier des Umwelt­schut­zes. Schil­lers Räu­ber erklär­ten dage­gen die Räu­ber­ban­de kur­zer­hand zu öko­lo­gi­schen Wider­ständ­lern gegen die herr­schen­de Lethar­gie. In Nicht wie ihr spielt Müll dage­gen eine sozi­al abgren­zen­de Rolle.

Strand abwärts erzählt ein futu­ris­ti­sches Unter­was­ser­mär­chen unter den Bedin­gun­gen der ver­schmutz­ten Welt­mee­re im Jah­re 2073. Die Umwelt­ka­ta­stro­phe führt in die­ser fabel­haf­ten Geschich­te zu mafiö­sen Zer­würf­nis­sen unter der Tier­welt des Koral­len­riffs: Der Kugel­fisch treibt sein ver­bre­che­ri­sches Unwe­sen, beschützt von den elek­tri­sie­ren­den Atta­cken sei­nes Leib­wäch­ters Zit­ter­aal und eini­gen ande­ren dienst­ba­ren Mee­res­tie­ren. Als eine Art Mafia kon­trol­lie­ren sie den Lebens­mit­tel­han­del und füh­len sich von den Öko­we­sen See­kü­he, die das Mee­res­gras wach­sen las­sen und ihre Pro­duk­te güns­tig abge­ben, her­aus­ge­for­dert. Die See­pferd­chen­po­li­zei schau­kelt lie­bens­wert durch die Tie­fe, lässt sich aber ger­ne über­for­dern und merkt folg­lich nicht, was vor sich geht. Eine Lösung der Unter­was­ser­zwis­tig­kei­ten zeich­net sich ab, als Mafia­boss Kugel­fisch sich in die klu­ge Toch­ter des Ober­po­li­zis­ten ver­liebt, die auf der Sei­te der enga­gier­ten Akti­vis­ten steht.

Die Hand­lung erzählt sich den Mög­lich­kei­ten der gehan­di­cap­ten Kin­der ent­spre­chend lang­sam, oft beglei­tet durch Text aus dem Off und ergänzt durch ori­gi­nel­le Video­se­quen­zen, in denen Ham­mer­hai und klu­ge Sar­di­ne Fak­ten zur Tier- und Umwelt lie­fern. Die Spie­len­den aus der För­der­schu­le füh­ren mit Stolz ihre ori­gi­nel­len Kos­tü­me und cha­rak­te­ri­sie­ren­den tie­ri­schen Kopf­be­de­ckun­gen vor und wer­den ein­fühl­sam von mit­spie­len­den Betreu­en­den geführt. Ihre Spiel­freu­de zei­gen alle Betei­lig­ten beson­ders, wenn musi­ka­lisch agiert, geklatscht, getanzt oder gesun­gen wird.

Die fabel­haf­te Hand­lung bil­det pla­ka­tiv mensch­li­che Ver­hält­nis­se in den wirt­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Vor­ge­hens­wei­sen ab. Dass enge­re Bezie­hun­gen zwi­schen den geg­ne­ri­schen Par­tei­en zu einer Ver­än­de­rung der Ver­hält­nis­se bei­tra­gen könn­te, ist nicht nur mär­chen­haft. Hin­ter der ver­spiel­ten Hand­lung steckt ein hand­fes­tes Anlie­gen. Dies macht nicht zuletzt das Eröff­nungs­lied deut­lich, das die Welt ver­än­dern­de Absicht der Auf­füh­rung betont. Die­se Wir­kung wäre tat­säch­lich wünschenswert.

Auf die zen­tra­le Rol­le, die die Zer­stö­rung der Umwelt in YOLO spielt, wur­de an ande­rer Stel­le schon aus­führ­lich ver­wie­sen. (vgl. Lite­ra­ri­sche Rol­len — frei nach)

Öko­lo­gi­sche Fra­gen spiel­ten auch in der humor­vol­len Adap­ti­on von Schil­lers Räu­bern (Mont­e­ban­de der Montesso­ri­schu­le Greifs­wald, Meck­len­burg-Vor­pom­mern) eine gewis­se Rol­le. Die Räu­ber­ban­de wird dort defi­niert als Grup­pe von Durch­schnitts­men­schen, die gegen die Zustän­de der Welt eine Ban­de gegrün­det haben, aber sich auch fragt, ob dies über­haupt mög­lich ist

Einen noch sub­ti­le­ren Impuls in Rich­tung Öko­lo­gie lie­fer­te das Stück Nicht wie ihr aus Ber­lin von der Thea­ter-AG Thea­ter­gang aus der Lisa-Tetz­ner-Schu­le. Vor dem Hin­ter­grund zwei­er unter­schied­li­cher Kin­der­grup­pen, ent­wi­ckelt sich in einer Wald­um­ge­bung eine Freund­schaft zwi­schen einem Mäd­chen und einem Jun­gen aus den sich ver­fein­det gegen­über­ste­hen­den Grup­pen. Die bei­den fin­den ihren Treff­punkt in einem leben­di­gen und von Geis­tern beleb­ten Wald, in dem – auf der gan­zen Büh­ne dau­er­haft her­um­lie­gend – Müll am Boden liegt, der wohl von den Coo­len, den Jun­gen stammt. Die­ses acht­lo­se Ver­hal­ten, das auch die Eltern der befreun­de­ten Kin­der an den Tag legen, ist unter ande­rem ein Grund der gegen­sei­ti­gen Ableh­nung. Das Müll­pro­blem bleibt ankla­gend im Raum, wird aber nicht gelöst, selbst als am Ende der gan­ze Kon­flikt sich in einem gro­ßen gemein­schaft­li­chen Tanz mit dem Publi­kum auflöst.

Das Stück ent­wi­ckelt sich in einem Wech­sel aus Grup­pen- und knap­pen Dia­log­sze­nen. In den Grup­pen­kon­fron­ta­tio­nen wird auf ver­schie­de­ne Wei­se die Ableh­nung der Coo­len in läs­si­gem Out­fit gegen die Glit­zern­den, die in schril­len Perü­cken, Pail­let­ten­kos­tü­men und geschwun­ge­nen Hand­täsch­chen daher­kom­men, cho­reo­gra­fiert. Die bei­den befreun­de­ten Kin­der tref­fen sich bevor­zugt im Wald, ange­deu­tet durch grü­ne gra­fi­sche Pro­jek­tio­nen und gespiel­te Pflan­zen. Dort strei­fen sie her­um, müs­sen sich gegen­sei­tig vor Geis­tern oder Spin­nen schüt­zen, schrei­ben sich Brie­fe oder bewun­dern den in pro­ji­zier­ten Punk­ten ange­deu­te­ten Ster­nen­him­mel. Pflan­zen, Geis­ter oder die spä­ter auf­tre­ten­den Eltern, die auch gegen die Freund­schaft sind, wer­den jeweils als Dop­pel­rol­len aus den bei­den ver­fein­de­ten Kin­der­grup­pen gewonnen.

Für den Zuschau­er bleibt die Tat­sa­che des Mülls in sei­ner Dau­er­prä­senz irri­tie­rend und lädt zur Spe­ku­la­ti­on ein: Soll­te die Unord­nung im Büh­nen­bild ein Sym­bol für die Zwis­tig­kei­ten auf mensch­li­cher Ebe­ne sein? Tre­ten Umwelt­fra­gen in den Hin­ter­grund, wenn mensch­li­che Kon­flik­te sich auf­tür­men? Wird man mit dem Müll irgend­wann so fer­tig, wie mit der angst­ein­flö­ßen­den Spin­ne, der man nur ent­ge­gen­ru­fen muss, dass man kei­ne Angst hat? Wie auch immer, es ist wie in der heu­ti­gen Rea­li­tät: Die öko­lo­gi­sche Fra­ge ist unüber­seh­bar prä­sent, aber ange­gan­gen wird sie nicht wirk­lich überzeugend.

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