SCHUL.THEATER

Fokus

Filmische Dokumentationen und Spielfilme

Micha­el Aust & Micha­el Schwinning 

Woher kommt in der Pan­de­mie mein Publi­kum? Und wie kom­me ich um die Zwei­fel­haf­tig­keit und die Per­spek­ti­ven­pro­ble­ma­tik beim Strea­men her­um? Ich trans­fe­rie­re mein Pro­jekt in einen Spiel­film, wenn es sich um eine Pro­duk­ti­on mit Geschich­te han­delt, oder ich doku­men­tie­re mei­ne Arbeit fil­misch, wenn ich eher per­for­ma­ti­ven For­ma­ten fol­ge! Für bei­de Vari­an­ten bot das SDL Bei­spie­le an:

Begegnungen/Intersections – Nie­der­sach­sen, Cäci­li­en­schu­le Olden­burg & Bil­dungs­zen­trum Tech­nik und Gestal­tung, Ober­stu­fen­kurs & Abschluss­klas­se, Spiel­lei­tung: Han­na Pul­ka, Mar­git Ostern, Saskia Bur­chards, Fabi­an Becker (Film & Schnitt)

Schön – Bre­men, Ober­schu­le am Leib­niz­platz, Leis­tungs­kurs Dar­stel­len­des Spiel, Spiel­lei­tung: Eli­sa­beth Mache­mer und Mari­on Amschwand

Tascha – Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Bern­stein­Schu­le Rib­nitz-Dam­gar­ten, Wahl­pflicht­kurs Klas­se 10, Spiel­lei­tung: Kat­rin Rosen­bohm, Jen­ny Wies­mü­ler, Mark Stern­ki­ker – Filmpädagoge

Update fehl­ge­schla­gen …? – Sach­sen-Anhalt, Freie Schu­le im Bur­gen­land Jan Hus, AG Schul­mu­si­cal „Jan Husi­cal“, Spiel­lei­tung: Felix Neu­mann, Ronald Schulz, Anett Eulau

Und raus bist #Du – Bran­den­burg, Leo­nar­do da Vin­ci Cam­pus Nau­en, fach­über­grei­fen­der Kurs, Spiel­lei­tung Ste­phan Die­richs und Kars­ten Prühl für den Dreh

Sommer.Nachts.Traum – Baden-Würt­tem­berg, Elly-Heuss-Knapp-Gym­na­si­um Stutt­gart, Thea­ter-AG, Spiel­lei­tung: David Götz und Doro­thea Lanz

SDL- Mediathek 
Wir stel­len alle Auf­füh­run­gen des SDL in unse­rer Fes­ti­val­me­dia­thek bereit. Tickets kön­nen für 29,90 Euro (regu­lär), 19,90 Euro (Mit­glie­der BVTS / Ver­bän­de) oder 9,90 Euro (wenn du einen Gäs­te­pass gekauft hast) erwor­ben wer­den. Zah­le per Über­wei­sung oder Pay­pal und erhal­te sofort Zugriff auf alle unten auf­ge­führ­ten Mit­schnit­te. Das Pass­wort erhältst du, sobald dei­ne Zah­lung ein­ge­gan­gen ist (bei Pay­pal sofort!). 

In Begegnungen/Intersections doku­men­tier­te am Thea­ter Olden­burg ein Film­team die inter­kul­tu­rel­le thea­ter­päd­ago­gi­sche Arbeit mit zwei Spiel­grup­pen, in Bre­men ver­leg­ten die Cho­reo­gra­phen die tän­ze­ri­sche Pro­duk­ti­on Schön an ver­schie­de­ne Lieb­lings­or­te der betei­lig­ten Jugend­li­chen und ließ sie aufzeichnen.

Die Pro­duk­ti­on aus Nie­der­sach­sen macht deut­lich erkenn­bar aus der Not der Distanz eine Tugend und führt die ver­schie­de­nen Grup­pen im vir­tu­el­len Raum zusam­men, nach­dem es rea­le Ken­nen­lern­be­geg­nun­gen gege­ben hatte.

Die Pro­duk­ti­on beginnt und endet kon­se­quent mit einer Sequenz von Sel­fie­auf­nah­men der Mit­spie­len­den vor dem Off-Text: „Ich sehe/höre dich nicht“ bzw. „Ich sehe/höre dich“-

Der Teil der Thea­ter­ar­beit, der offen­sicht­lich in Prä­senz, aber den­noch mit Abstand statt­ge­fun­den hat, wird in Schwarz­weiß­auf­nah­men prä­sen­tiert. Dazu gehö­ren z.B. Erkun­dun­gen im geteil­ten Zuschau­er­raum des Thea­ters oder thea­ter­päd­ago­gi­sche Übun­gen mit ein­an­der gegen­über ste­hen­den Stuhlreihen.

Den inhalt­li­chen Kern des Pro­jekts bil­det die bekann­te Volks­bal­la­de der Zwei Königs­kin­der, die nicht zuein­an­der fin­den kön­nen, weil das Was­ser viel zu tief ist; in der fil­mi­schen Ver­si­on tra­gen die Mit­glie­der der Grup­pe die Stro­phen in ver­teil­ten Abschnit­ten vor. Alles zu die­sem The­ma bleibt in Far­be. Zu den Abschnit­ten des Gedicht­tex­tes kom­men illus­trie­ren­de und kom­men­tie­ren­de Sze­nen. Dazu gehö­ren humor­vol­le Repor­ta­ge-Inter­views mit berich­ten­den und psy­cho­lo­gi­schen Kom­men­ta­ren zu einem ver­schwun­de­nem Teen­ager­paar. Die Ver­miss­ten tre­ten nie auf, ihr Schick­sal bleibt ungeklärt.

Ein wei­te­res das Gedicht beglei­ten­des Ele­ment sind Cho­reo­gra­phien der bei­den Grup­pen, die wohl ein­zeln ent­stan­den sind, aber durch fil­mi­sche Über­blen­dun­gen den Ein­druck einer gemein­sa­men Bewe­gungs­per­for­mance vor­täu­schen. Eben­so wird ein schein­bar pri­va­tes Gespräch zwei­er Schüler*innen durch Split­screen als sehr per­sön­li­che gegen­sei­ti­ge Öff­nung insze­niert, obwohl bei­de Teil­neh­men­de wohl tat­säch­lich in einen lee­ren Raum spre­chen. So wer­den inhalt­li­che und emo­tio­na­le Aspek­te zu den ver­schie­de­nen Gedicht­tei­len ergänzt, in denen es, ganz in der Aktua­li­tät der erleb­ten Coro­na-Zeit, um erzwun­ge­ne Distanz und den Wunsch nach Nähe geht.

Die Mon­ta­ge­ebe­nen sind dabei ent­we­der syn­chro­ni­siert, etwa bei Fall­pan­to­mi­men,  oder inein­an­der ver­wo­ben, wenn sich ein Spie­ler auf der einen Ebe­ne der Mon­ta­ge in ein gro­ßes Tuch wie zum Ster­ben ein­wi­ckelt, wäh­rend auf der ande­ren Mon­ta­ge­ebe­ne zwei Mäd­chen in gespielt unsi­che­ren Bewe­gun­gen ihre Sehn­sucht und Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit aufzeigen.

Bei aller bewun­derns­wer­ten Krea­ti­vi­tät und Spiel­dis­zi­plin, die hier im thea­ter­päd­ago­gi­schen Pro­zess frei­ge­setzt wur­de, bis hin zu einem ein­fühl­sa­men und emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen Song, dankt die­se Doku­men­ta­ti­on ihre beein­dru­cken­de Wir­kung auch der geschick­ten fil­mi­schen Mon­ta­ge. Sie folgt nicht nur in der Farb­ge­bung des Films, son­dern auch in Abwechs­lung und Schnitt­tem­po guten dra­ma­tur­gi­schen Prin­zi­pi­en. Dabei ver­liert die Film­re­gie nicht aus den Augen, dass es um die Zusam­men­füh­rung der Grup­pen im Film gehen soll und setzt an den Schluss einen auf­wän­di­gen Split­screen mit den drei­ßig Betei­lig­ten in einer Kopf­cho­reo­gra­phie gemein­sa­mer Bewegungen.

In Bezug auf das The­ma des Fes­ti­vals Digi­ta­li­tät macht die digi­ta­le Mon­ta­ge sozia­le thea­tra­le Begeg­nun­gen und Kon­fron­ta­tio­nen mög­lich, aber die media­le Kom­mu­ni­ka­ti­on kann die mensch­li­che Distanz nicht über­brü­cken, Nähe nur vortäuschen.

In ähn­li­cher Wei­se fil­misch und dar­stel­le­risch beein­dru­ckend gelingt die Pro­duk­ti­on Schön aus Bre­men. Die aus den Innen­räu­men des Thea­ters durch die Pan­de­mie ver­bann­ten Jugend­li­chen tan­zen mit Hil­fe von Site-Spe­ci­fic-Ansät­zen an unter­schied­li­chen Orten ihr per­sön­li­ches Hei­mat­ge­fühl. Die Ergeb­nis­se doku­men­tiert der prä­sen­tier­te Film.

Die Schüler*innen arbei­te­ten in fünf Grup­pen an ihren indi­vi­du­el­len Cho­reo­gra­phien. Ursprüng­lich geplant als eine Live-Per­for­mance mit mit­lau­fen­dem Publi­kum, liegt neben der Auf­zeich­nung der ein­zel­nen Per­for­man­ces ein Schwer­punkt auf den Über­gän­gen zwi­schen den ein­zel­nen Sze­nen, die einen Weg mit den Spieler*innen simu­lie­ren. Die Darsteller*innen lau­fen auf die Kame­ra zu und an ihr vor­bei, mit­tels Schwenk folgt sie. Auch Kame­ra­fahr­ten füh­ren von Ort zu Ort.

Im Mit­tel­punkt aber steht die Doku­men­ta­ti­on der Tanz­per­for­man­ces. Die Bild­ge­stal­tung lässt die Hin­ter­grün­de zur Büh­ne wer­den. Stra­ßen und Häu­ser­zei­len sind meist men­schen­leer, Musik blen­det die Orts­ge­räu­sche aus, so dass das Ensem­ble wie vor einer Kulis­se tanzt. Per­spek­ti­ven­wech­sel, Schwenks, Varia­tio­nen der Aus­schnitt­grö­ßen bestim­men die fil­mi­sche Wahr­neh­mung, der Schnitt passt sich dem tän­ze­ri­schen Tem­po an.

In Bezug auf das Fes­ti­val­the­ma ist hier Ana­lo­ges mit digi­ta­len Mög­lich­kei­ten fest­ge­hal­ten, erreicht so mög­li­cher­wei­se ein grö­ße­res Publi­kum, als es live mög­lich gewe­sen wäre. Die Pro­duk­ti­on folgt den Geset­zen von gelun­ge­ner, leben­di­ger fil­mi­scher Doku­men­ta­ti­on und fängt so die tän­ze­ri­schen Ideen und Fähig­kei­ten der betei­lig­ten Jugend­li­chen beein­dru­ckend ein.

Das gelingt auch den meis­ten Spiel­fil­men, zu denen sich Thea­ter­grup­pen anstel­le von ana­lo­ger Büh­nen­ar­beit ent­schie­den haben. Die­se Art des Trans­fers ist vor allem das Mit­tel der Wahl, wenn die Stü­cke Geschich­ten erzäh­len. Tascha nach Wolf­gang Herrn­dorfs Tschick ori­en­tiert sich dabei ästhe­tisch an TV-For­ma­ten und social-media Ästhe­ti­ken. Update fehl­ge­schla­gen..?, eine Geschich­te um einen Freun­din­nen­streit im Umfeld der her­auf­zie­hen­den Coro­na-Kri­se, bleibt ganz fil­misch und kippt am Ende in eine Art Musi­cal­film-For­mat. In Und raus bist # du beherrscht ein Mob­bing­fall, der durch ein aus Eifer­sucht gepos­te­tes Nackt­fo­to aus­ge­löst wird, den Plot. Der Sommer.Nachts.Traum folgt der Hand­lung des Shake­speare­schen Som­mer­nachts­traums.

Bei Tascha aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern han­delt es sich um eine Adap­ti­on der belieb­ten Mit­tel­stu­fen­lek­tü­re des Romans Tschick von Wolf­gang Herrn­dorf. Tschick heißt hier Tascha und ist weib­lich. So ist dann auch Rei­se­part­ne­rin Mai­ke ein Mäd­chen und das homo­ero­ti­sche Motiv der Vor­la­ge bleibt als Unter­ton erhal­ten. War­um im Geschlech­ter­wech­sel? Das liegt wohl an den Gege­ben­hei­ten des Kur­ses, eine femi­nis­ti­sche Sicht auf den Stoff ist nicht erkenn­bar, wenn man davon absieht, dass dem fil­mi­schen Mate­ri­al häu­fig die Pia­no­ver­si­on von „I kissed a girl“ unter­legt wird.

Bei­de Mäd­chen sind Außen­sei­te­rin­nen. Die Ableh­nung ihrer Klas­se wird mit sehr rüden, ver­let­zen­den State­ments der Mitschüler*innen in Groß­auf­nah­me gera­de­zu zele­briert, steht aller­dings im Wider­spruch zum sanf­ten, elo­quen­ten Auf­tre­ten der Figu­ren selbst. Die­ser Wider­spruch beruht auch auf einer unkla­ren Erzähl­per­spek­ti­ve. Die Umset­zung kommt im Gewand einer TV-Vor­abend­se­rie daher, mit ein­zel­nen Epi­so­den und wie­der­keh­ren­dem Vor­spann. Die Anleh­nung an ein For­mat, das zum Grund­re­per­toire aller Fake-Dokus im TV-Pro­gramm gehört, führt zur häu­fi­gen Nut­zung der Funk­ti­on des ein­ge­scho­be­nen Kom­men­tars einer Figur in Groß­auf­nah­me. Die dras­ti­schen Äuße­run­gen der Klas­se deu­ten auf eine an Skan­dal und „Explo­ita­ti­on“ inter­es­sier­te TV-Redak­ti­on hin, die die­se Serie ver­meint­lich pro­du­ziert. Ande­rer­seits behal­ten die bei­den Rei­sen­den ihre eige­ne Erzähl­funk­ti­on bei. Auch sie geben Kom­men­ta­re zu ihren Moti­ven direkt in die Kame­ra ab. Ihre Rei­se doku­men­tie­ren sie gemein­sam auf Insta­gram, was dazu führt, dass die Ebe­ne der Hass­kom­men­ta­re durch­gän­gig erhal­ten blei­ben kann, weil ihre „Hater“ auch ihre Fol­lower sind. Die­se nega­ti­ve Bin­dung von Haupt­fi­gur und Fol­lower wird im Film nicht wei­ter the­ma­ti­siert. Letzt­lich ste­hen die bei­den Dar­stel­lungs­kon­zep­te unver­bun­den gegeneinander.

Die Her­aus­for­de­rung für die Grup­pe war es in ers­ter Linie, zu Zei­ten eines Lock­downs einen Roman in ein Road­mo­vie zu ver­wan­deln, und das, obwohl kein Grup­pen­mit­glied einen Füh­rer­schein haben konn­te (10. Klas­se). Der Text­kun­di­ge moch­te sich erwar­tungs­voll zurück­leh­nen ob der Hür­den, die das rea­lis­ti­sche Erzäh­len bereit­stel­len wür­de (Schwei­ne­hälf­ten auf der Auto­bahn, Schüs­se im Tage­bau, Klet­tern auf der Müll­hal­de, Nackt­ba­den im See etc.) und natür­lich kann die Grup­pe das ins­ge­samt nicht ein­lö­sen. Par­ti­ku­lar gelingt es, etwa bei der glaub­wür­di­gen Auf­nah­me des Auto­un­falls. Auch ohne die Limi­tie­run­gen einer Pan­de­mie wäre die Idee des TV-Mehr­tei­lers wohl tech­nisch und dra­ma­tur­gisch nicht umsetz­bar gewesen.

Es blei­ben noch mehr gelun­ge­ne Ele­men­te der Dar­stel­lung zu erwäh­nen, so die „Lie­bes­sze­ne“ zwi­schen Tascha und Mai­ke, der „Coming-Out“-Moment von Tascha und Mai­kes Reak­ti­on dar­auf, die weder zur Insta­gram-Sto­ry noch zur TV-Doku gehö­ren, son­dern eine drit­te fil­mi­sche Form wäh­len. Zunächst erscheint eine Auto­fahrt mit Dia­lo­gen im klas­si­schen Gegen­schnitt, dann ist eine Musik-/Tanz­se­quenz ein­ge­fügt, in der die Tascha-Dar­stel­le­rin augen­schein­lich selbst Calum Scott‚s  Lie­bes­bal­la­de „You are the Reason“ singt und Mai­ke dazu tanzt, bevor die Sze­ne ins Auto zurück­kehrt und der Unfall direkt bevor­steht, womit der Film endet. Dies ist der Moment, in dem der Ver­such gemacht wird, Digi­ta­li­tät erzäh­le­risch zu begrei­fen, weil auch eine bekann­te Musik­clip-Ästhe­tik benutzt wird.

Die kaum reflek­tier­te Über­nah­me eines TV-For­mats erschwert letzt­lich aber die Dar­stel­lung. Die rea­li­täts­na­he Adap­ti­on eines hand­lungs­rei­chen Stof­fes bedarf eines erheb­lich grö­ße­ren Auf­wands, der ohne pro­fes­sio­nel­le und wohl auch finan­zi­el­le Hil­fe für eine Schul­thea­ter­grup­pe nicht zu stem­men ist. Eine Erzähl­wei­se, die even­tu­ell ganz auf Insta­gram-Struk­tu­ren zurück­greift, wäre denk­bar. Die Pro­duk­ti­on @Tatto(o)-Theater wagt das, nach­zu­le­sen an ande­rer Stelle.

Update fehl­ge­schla­gen…? (Sach­sen-Anhalt) ist ein 35 Minu­ten lan­ger Spiel­film, der den Ein­bruch der Pan­de­mie in eine Schü­ler­grup­pe und dar­aus resul­tie­ren­de Kon­flik­te behan­delt, dabei mit rea­lis­ti­schen klas­si­schen fil­mi­schen Mit­teln erzählt wird. Die Spiel­sze­nen in Umgangs­spra­che wir­ken impro­vi­siert und natürlich.

In der Klas­se gibt es einen aktu­el­len Covid-Fall, der nicht ganz so leicht ver­läuft. Die Grup­pe wird in Qua­ran­tä­ne beor­dert und Unter­richt fin­det vor­über­ge­hend online statt. Die Geschich­te führt zurück in die ers­ten Wochen der Pan­de­mie. Die all­ge­mei­ne Unsi­cher­heit über die Bedeu­tung des Virus und die Maß­nah­men dage­gen wird hier zur Grund­la­ge der Kon­flik­te. Ist Coro­na nur eine Erkäl­tung? Ist Online-Unter­richt ver­pflich­tend? Muss Qua­ran­tä­ne ein­ge­hal­ten wer­den? Die­se Grund­satz­fra­gen sor­gen für Streit­ge­sprä­che der Schüler*innen, vor allem aber für das Zer­würf­nis der Freun­din­nen Tos­ca und Lui­sa, die als Ange­pass­te bzw. Coro­na­leug­ne­rin schnell zu den Haupt­fi­gu­ren der Hand­lung werden.

Eine kür­ze­re Sequenz cha­rak­te­ri­siert mit iro­ni­schem Blick Pro­ble­me des Online-Unter­richts, aber die Hand­lung kon­zen­triert sich dann immer mehr auf den Kon­flikt der Mäd­chen, der zu Ver­let­zun­gen und Eifer­sucht führt.

Auf dem Höhe­punkt des Streits wech­selt der Film sei­ne Erzähl­hal­tung und switcht in eine Art Musi­cal-For­mat (es han­delt sich um eine Musi­cal AG). Die bei­den Mäd­chen wer­den in zwei selbst­ge­schrie­be­ne Songs hin­ein­in­sze­niert, die ihre Befind­lich­keit in der gespal­te­nen Situa­ti­on zum Aus­druck brin­gen. Die text­lich, musi­ka­lisch und pro­duk­ti­ons­tech­nisch auf­ge­pepp­ten Arran­ge­ments und Gesangs­parts wir­ken zu glatt im Ver­hält­nis zu den im Play­back agie­ren­den Dar­stel­le­rin­nen und zum vor­her­ge­hen­den Rea­lis­mus. Das flacht die Glaub­wür­dig­keit der Erzäh­lung ein wenig ab. Dies gilt auch für das ver­söhn­li­che Ende des Streits: Der plötz­li­che Covid-Tod der Groß­mutter der „Leug­ne­rin“ führt zu Ein­sicht und Versöhnung.

Als Teil des Fes­ti­val­the­mas nutzt der Film eine Rei­he unter­schied­li­cher Erzähl­tech­ni­ken, um eine unter­halt­sa­me und dra­ma­tur­gisch mehr­fach über­ra­schen­de Geschich­te aus den ers­ten Wochen der Pan­de­mie zu erzäh­len. Eine Aus­ein­an­der­set­zung mit Digi­ta­li­tät in fil­mi­scher Erzäh­lung fin­det dabei nicht statt.

Und raus bist # du (Bran­den­burg) nutzt Droh­nen­auf­nah­men zu Voice­overs, Gegen­schnitt­tech­ni­ken, bedeu­tungs­tra­gen­de Mon­ta­ge­tech­ni­ken und Licht­sze­na­ri­en. Film­äs­the­tisch sind in die­ser Pro­duk­ti­on Seri­en das Vor­bild, was sich in einer Nei­gung zu bevor­zugt nahen und gro­ßen Per­spek­ti­ven zeigt. Bei dem Bei­trag aus der jugend­li­chen Medi­en­welt han­delt es sich ursprüng­lich um ein Thea­ter­stück (Mäd­chen wie die von Evan Placey). Inhalt­lich geht es um die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Fra­ge, wel­che Kon­se­quen­zen es haben kann, wenn Infor­ma­tio­nen (Bil­der) aus dem Pri­va­ten in die Öffent­lich­keit des omni­prä­sen­ten Net­zes getra­gen wer­den, das in sei­ner media­len Form (Com­pu­ter, Smart­phone) Pri­vat­heit vor­gau­kelt. Um mit Felix Stal­der (vgl. Vor­wort) die Kon­se­quen­zen zu sehen, über­neh­men dann nicht nur ande­re die Bewer­tung einer pri­va­ten Infor­ma­ti­on, also des Nackt­fo­tos, son­dern außer­dem maschi­nel­le Algo­rith­men, wodurch jede Selbst­be­stim­mung über die Infor­ma­ti­on zwangs­läu­fig ver­lo­ren­geht. Inso­fern ist der Bei­trag aus Bran­den­burg durch­aus ein Anstoß zu not­wen­di­gen Über­le­gun­gen im Zusam­men­hang mit Digi­ta­li­tät, ins­be­son­de­re im Zusam­men­hang mit Social Media.

Die fil­mi­sche Adap­ti­on des Som­mer­nachts­traums Sommer.Nachts.Traum lehnt sich an Kino­äs­the­ti­ken an. Groß­auf­nah­men, Tota­len, Kame­ra­fahr­ten, auf­fäl­li­ges Colour­gra­ding oder auf­wen­di­ge Mas­ke und Kos­tü­me set­zen mit Genuss die Adels­welt des Stü­ckes und das Mys­te­riö­se des nächt­li­chen Ver­wirr­spiels der Lie­ben­den in Sze­ne. Die Adap­ti­on für den Film gelingt. Für das Fes­ti­val lie­fer­te die Pro­duk­ti­on ein beein­dru­cken­des, unter­halt­sa­mes, von Schü­lern getra­ge­nes Film­erleb­nis auf der Basis eines Theaterstücks.

Da es sich bei all die­sen Pro­jek­ten um rei­ne Film­pro­duk­te han­delt, gerät der Thea­ter­re­zen­sent an sei­ne Gren­zen und will eine ent­spre­chen­de kri­ti­sche Wür­di­gung dem Film­kri­ti­ker über­las­sen. Aber es bleibt, ihren Bei­trag zum Fes­ti­val unter dem The­ma Digi­ta­li­tät zu betrach­ten. Digi­ta­le Medi­en sind gestal­te­ri­sche Mög­lich­kei­ten, die Jugend­li­chen heu­te offen­ste­hen. Die fer­ti­gen Pro­duk­te zei­gen deut­lich die Hand­schrift pro­fes­sio­nel­ler Film­äs­the­tik, die mög­li­cher­wei­se von den Grup­pen in ihre Arbeit als Fach­kom­pe­tenz von außen hin­zu­ge­holt wer­den musste.

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MIchael Aust 

Leh­rer am Egbert-Gym­na­si­um der Bene­dik­ti­ner in Müns­ter­schwarz­ach. Seit Beginn erzie­he­ri­scher und unter­richt­li­cher Tätig­keit Thea­ter­leh­rer in ver­schie­dens­ten Insze­nie­rungs­for­men und Grup­pie­run­gen. Aus­ge­bil­det an der Aka­de­mie in Dil­lin­gen und an der Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg. Seit­dem als Refe­rent und Autor in ver­schie­de­nen Zusam­men­hän­gen tätig. Vor­sit­zen­der des Ver­bands Thea­ter am Gym­na­si­um in Bay­ern und Mit­glied des erwei­ter­ten Vor­stands der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft Thea­ter und Film in Bay­ern, zustän­dig für die Orga­ni­sa­ti­on der Aus­bil­dung von Juni­or Assis­ten­ten Theater.

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Michael Schwinning 

Arbei­tet seit den acht­zi­ger Jah­ren als Thea­ter­leh­rer an einem Ham­bur­ger Gym­na­si­um, war von 2009 bis 2014 im Vor­stand des Ham­bur­ger FvTS tätig und Mit­or­ga­ni­sa­tor des Schul­thea­ter der Län­der 2009 in Ham­burg (Site Spe­ci­fic) sowie des Ham­bur­ger Fes­ti­vals „thea­ter­macht­schu­le“, tms. Er hat zahl­rei­che Tex­te für die Publi­ka­tio­nen Spiel&Theater, Schul­thea­ter und für den Fokus Schul­thea­ter ver­fasst. Thea­ter­grup­pen unter sei­ner Lei­tung neh­men regel­mä­ßig an loka­len Wett­be­wer­ben teil. 

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