Das Leben des Theaters – Ein Panorama in 7 Skizzen
1 Lebensdiskurs im Studierzimmer
Eugène Delacroix: 1912
„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldner Baum“ (Faust I, 2038 f.
Literatur
Anna Harrington: Die Suche nach Ganzheit. Die Geschichte biologisch-psychologischer Ganzheitslehren. Reinbek bei Hamburg 2002.
Eva Geulen: Aus dem Leben der Form. Goethes Morphologie und die Nager, Berlin August Verlag 2016
2 Persönliches & Gesellschaftliches
3 Entgrenzungen zwischen Kunst und Leben
Peter Bürger, Theorie der Avantgarde, 1974
Zentrale Bemühung aller Avantgarden: die Grenze von Kunst u. Lebenspraxis aufzuheben
• Gegen den bürgerlichen Begriff der Kunst-Autonomie
• Gegen den traditionellen Werkbegriff
• Gegen die bürgerliche Institution der Kunst
Gegenargument 1: Kunst braucht die Distanz zum Leben:
…dass „die Distanz der Kunst zur Lebenspraxis allererst den Freiheitsspielraum garantiert, innerhalb dessen Alternativen zum Bestehenden denkbar werden.“ (Bürger 1974, S. 73)
Gegenargument 2: Kunst und Leben sind untrennbar: Bojana Kunst: Das Leben der Kunst –Transversale Linien der Sorge. Wien et al. 2023, S. 25:
„Die Kunst hat eine radikale Verantwortung gegenüber dem Leben eben deswegen, weil sie sich nicht aus ihm herauslösen kann.“
4 Befreites Leben (Nietzsche)
„Unter dem Zauber des Dionysischen schließt sich nicht nur der Bund zwischen Mensch und Mensch wieder zusammen: auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur feiert wieder ihr Versöhnungsfest mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen. (…) Jetzt ist der Sclave freier Mann, jetzt zerbrechen alle die starren, feindseligen Abgrenzungen (…) Singend und tanzend äussert sich der Mensch als Mitglied einer höheren Gemeinsamkeit (…)“
Nietzsche: Die Geburt der Tragödie. In: Kritische Studienausgabe, hg. von G. Colli und M. Montanari, München 1988, S. 9-155, hier S. 29 f.
Georg Fuchs; Peter Behrens: Theater als Fest
Adolphe Appias Rhythmische Räumen, Hellerau
Antonin Artaud: Theater der Grausamkeit
Max Reinhardt: Antiken-Inszenierungen, München & Berlin, 1910er und 20er Jahre
Chorisches Theater seit den 1980ern: Einar Schleef und andere
5 Kraft der Jugend (Reformtheaterpädagogik)
Gustav Wyneken: „Schöpferische Erziehung“, in ders.: Der Kampf für die Jugend. Gesammelte Aufsätze, Jena 1920, S. 271-282:
Die Schule „fühlt sich nicht als eine Vorbereitungsanstalt für das Leben, sondern selbst als Sitz des Lebens, als Entdeckerin eines neuen, bisher noch unbekannten Lebens von eigener Art und Gesetzlichkeit […]. Und also überhaupt als Befreierin der Jugend […]“. (S. 280)
Luserke: Shakespeare-Aufführungen als Bewegungsspiele, Stuttgart Heilbronn 1921
Walter Benjamin: Programm eines proletarischen Kindertheaters. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser. Bd. II, 2. Frankfurt am Main 1991, 763–769. [die Schrift basiert auf Berichten von Asia Lacis]:
Neue Kräfte, neue Innervationen treten auf, von denen oft dem Leiter unter der Arbeit nichts ahnte. Erst in dieser wilden Entbindung der kindlichen Phantasie lernt er sie kennen.“ (S. 766)
6 Gefährdetes Leben (Butler)
Lebensdiskurs als kritische Theorie > Michel Foucault, Gilles Deleuze, Giorgio Agamben, Eva Geulen, Maria Muhle.
Judith Butler: „Einleitung: Gefährdetes Leben, betrauerbares Leben“, in dies.: Raster des Krieges. Warum wir nicht jedes Leid beklagen. Frankfurt / New York 2009, S. 9-38
Mittelmeermonologe, Heimathafen Neukölln
7 Metamorphosen (Moura/Coccia)
„Boca Cova“, Choreogr. Michelle Moura, Berlin 2024 – Video Auszüge: https://www.tanzforumberlin.de/en/production/boca-cova/
Theorie-Bezug:
Emanuele Coccia: Metamorphosen.
Das Leben hat viele Formen. Eine Philosophie der Verwandlung. Übersetzt aus dem Französischen von Caroline Gutberlet
„Menschen nicht länger als Individuen betrachten, sondern als Teil des einen Lebens auf der Erde“