Change
Tanzstück über Wasser und die katastrophalen Veränderungen des Klimas
CHANGE
Tanztheater Lysistrate, Goethe-Gymnasium Schwerin, Mecklenburg-Vorpommern
Obwohl Bewegungschoreographien und Tanz immer häufiger Teil von schulischen Theaterinszenierungen sind (vgl. Dreyer, 2024), kommt es nach wie vor nur selten vor, dass auf dem SDL bewegungsorientierte Stücke oder gar ganze Tanztheaterstücke zu sehen sind. In Bremen kam das Festivalpublikum in den Genuss gleich mehrerer solcher Stücke. Neben der Inszenierung #Teenies Welt aus dem Saarland und Three Minutes of Fame aus Hamburg wurde von der Tanztheatergruppe Lysistrate des Goethe-Gymnasiums Schwerin ihr Stück CHANGE gezeigt, eine Eigenproduktion zum Thema Klimawandel.
Ausgehend von eigenen Recherchen, persönlichen Interessen und Ängsten sowie Diskussionen in der Gruppe entwickelten die zwölf Jugendlichen eine eindrucksvolle Performance, die an Arbeitsweisen von Pina Bausch und Rudolf von Laban erinnerten. In einem minimalistischen Bühnenbild aus leeren Plastikflaschen und durch den bedachten Einsatz von Licht, Musik und Textflächen eröffneten sie eine abstrakte Bewegungslandschaft, die breite Interpretationsspielräume für das Publikum eröffnete.
Dabei lässt sich die Performance grob in zwei Phasen unterteilen.
Die erste wird durch aquamarine Geräusche und Musik begleitet. Die Spielenden betreten in fließenden Bewegungen die Bühne, zeigen gemeinsame und individuelle Tanzsequenzen. Es kommen Assoziationen zur Harmonie in der Natur und zur Entstehung des Lebens auf Erden in den Sinn. Nach und nach werden Hemden und PET-Flaschen als Bewegungsrequisiten in den Tanz eingebaut. Es erklingt A New Error von Moderat, eine (un-)bewusste(?) Ankündigung dessen, was da kommt: Der auditive Bruch eines Eisbergs. Ein Black. Die Spielenden liegen am Boden.
“Es war einmal eine Zeit in schmutzigen Städten. […] Umhüllt von Abgasen und Industriegeschrei.” Es beginnt die zweite Phase des Stücks, die deutlich schwerer und dunkler daherkommt. Die Körperlichkeit der Spielenden verliert ihre Leichtigkeit und gewinnt an Intensität. Emotional bewegen sich die Spielenden zwischen Verzweiflung und Aggression. Es werden narrative Texte und Fabeln vorgetragen, die ein düsteres Bild unserer Welt am Rande eines Abgrunds zeichnen. Die Flaschen und Hemden werden derweil zu Objekten, mit denen die Spielenden kämpfen und an denen sie sich abarbeiten. Gegen Ende der Inszenierung werden die Spielenden mehr und mehr zu einem Körperchor, der wie bei einem Protestmarsch ausdrucksstarke und energetische Formationen und Gesten einnimmt.
Der Spielgruppe Lysistrate aus Schwerin gelingt es, das Thema Klimawandel auf eine eindrucksvolle Weise zu verhandeln. Dabei spart sie die wichtigen, aber bekannten Parolen aus und findet einen eigenen Zugang, die Komplexität der Lage zu verhandeln. Die zwölf Jugendlichen bauen große Bilder und vermitteln ausdrucksstarke Emotionen, vom ersten Solo des Stücks bis zum fadenden Black am Ende. Dabei werden die persönliche Involviertheit und das Anliegen der Spielenden deutlich, welches dieses Stück so berührend macht.
Doch ganz ohne Pranger kommt die Gruppe nicht aus. Am Ende der Inszenierung stehen alle Aktiven in Form eines Spaliers an der Bühnenrampe und adressieren, respektive schreiend, chorisch die Tatenlosigkeit einer zuschauenden Gesellschaft. .
Politischer Aktivismus der Generation Fridays for Future meets Tanz. Dem kann auf einem Theaterfestival, das mit politisierten Reden der Schirmherr:innen und Organisator:innen bei der Eröffnung startete, nur mit tosendem Applaus begegnet werden. Der forschende Entwicklungsansatz, dem die Gruppe gefolgt ist (vgl. Gerhard, 2024), führte dabei zu einer starken Aufführung mit einem Anliegen, das sie mehr als deutlich machte.





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Fokus 2024 - Leben
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Studiengang Lehramt Theater, Studiengangsleiterin des Weiterbildungsmasters „Theater unterrichten“
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