[maybe] - a tale of two cities

Kooperationsprojekt des Carl-Orff-Gymnasiums Unterschleißheim aus Bayern mit der Eersterevier Secondary School Cape Town aus Südafrika

Ein Blick in das Programm des SDL zeigte bereits vor der Aufführung von [maybe], dass dem Publikum ein besonderer Abend in der Spielstätte des Schlachthofs in Bremen bevorsteht. Dort steht etwas von einem Freundschaftsprojekt zwischen den Theatergruppen eines Gymnasiums aus der Nähe von München und einer Secondary School aus Kapstadt. Die 25 Jugendlichen aus Deutschland und Südafrika stellen ihre Heimatstädte vor und einander gegenüber. Dabei gehe es zum einen um die Städte selbst, um die verschiedenen Pole, die in den Städten existieren, um Arm vs. Reich, um das Aufeinanderprallen von Welten. Aber letztlich gehe es insbesondere um die Menschen in diesen Städten und die Frage nach dem eigenen Sein.

Was auf diese Ankündigung hin folgte, war intensiv, lustig, beeindruckend und professionell. Die Spielenden spielten körperlich, gestisch und sprachlich punktgenau und als ein Kollektiv.

Die etwa einstündige Inszenierung ist dabei in einen Prolog und zwei Akte unterteilt. Zu Beginn betreten die Schüler:innen aus München die Bühne und erzählen auf Deutsch von München. Es folgt der Auftritt der südafrikanischen Jugendlichen, die in englischer Sprache von Kapstadt erzählen. Beide Gruppen nennen bedeutende Orte und mögliche Aktivitäten in ihrer jeweiligen Heimat, die Teil der Storyline ihres Stücks sein sollten. Sie wollen über die Nähe zu den Alpen, bzw. über Safaris und den guten Wein sprechen. “But instead I write a tale about two cities”, über Obdachlosigkeit, hohe Wohn- und Lebenskosten, illegalen Landraub und soziale Ungerechtigkeit… “You can’t write about that!”

Der erste Akt der Inszenierung spielt in München und verhandelt nach einer Erzählung von Daniel Kehlmann die Geschichte des Schriftstellers und Schauspielers Karl Brenneroder besser von Ralf Eberling, der durch eine falsch zugeordnete Telefonnummer plötzlich zahlreiche Anrufe von Fremden erhält, die ihn für Karl halten. Nach einigem Zögern und vielem genervten Auflegen nimmt Ralf die Identität von Karl immer mehr an, besucht Veranstaltungen und geht auf dessen Dates. Er tritt sogar mit anderen Stars im TV auf. Von Überheblichkeit getrieben wird er zu Karl. Natürlich kann dies nicht lange gut gehen, Denn bald trifft der Protagonist auf den echten Karl!? Oder ist das vielleicht ein anderer Hochstapler?

Nach einem Black beginnt in Kapstadt der zweite Akt. Die Spielgruppe stellt hier insbesondere zwei Bevölkerungsklassen dar. In schwarzem Anzug, weißem Hemd und Krawatte beschweren sich einige Mieter:innen bei ihrem Vermieter über andere Hausbewohner:innen. Gleichzeitig sitzen an der Bühnenrampe Spielende in mehrfarbigen Jogginghosen und T-Shirts, die mit Plastiktüten spielen. In dieser niederen Gruppe, die – wie mit der Zeit klar wird – die Armut in Kapstadt repräsentieren soll, ist eine junge Mutter zu sehen, die es kaum schafft, ihr Kind zu ernähren. Sie nimmt an Protesten gegen die oberen Schichten teil: “Common guys! Let’s go and get our piece!” Der Versuch, für das eigene Überleben Land zu rauben, wird von der Polizei und dem Militär niedergeschlagen, dargestellt durch Leerkehren der Bühne. Das Kind der Mutter wird derweil in einer Ecke positioniert. In der oberen Klasse ist neben der Angst um das eigene Hab und Gut und vor dem Aufstand der unteren Klassen ein Streit zwischen einem Paar zu beobachten, das sich uneins über den gemeinsamen Kinderwunsch ist. Sie gehen im Streit auseinander und die Frau findet das allein gelassene Kind auf der Straße.

Die Inszenierung [maybe] ist vollgepackt mit theatralen Arbeitsweisen. Hier trifft sich afrikanisches Storytelling, Gesang und Tanz mit europäisch-deutschen Sprach- und Bewegungschören, Rollenarbeit und Figurensplitting. Dabei schafft die Spielgruppe mit wenigen Alltagsrequisiten wie Tischen, Besen, Tüten und IKEA-Hockertritten ein breites, amüsantes und kreatives Szenenrepertoire, in denen sie die beiden "tales" über Kapstadt und München mit Respekt gegenüber den verhandelten Themen erzählen. Was bei [maybe] von Seiten der Spielenden auf die Bühne gebracht wird, zeugt dabei nicht nur von einem intensiven und erfolgreichen Kooperationsprojekt über Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg – selbstverständlich ist dies als eine wichtige Errungenschaft an sich zu verstehen, –, sondern auch von einer bemerkenswerten Etabliertheit des Fachs Theater/Darstellendes Spiel am Carl-Orff-Gymnasium in Unterschleißheim. In Bremen waren dabei Spielende auf der Bühne zu sehen, die Jahre zuvor als junge Schüler:innen der Sekundarstufe I bereits in Stücken auftraten und nun in Bremen nach ihrem Abitur ein letztes Mal mit ihrer Schule auf der Bühne standen. Das Handwerk, welches [maybe] zu einem besonderen Erlebnis machte, zeugt von dem Potenzial, das ein in der Schulstruktur etabliertes Fach Theater für die Entwicklung von Jugendlichen innehält.

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