Fokus 2024 - Leben

#Teenies Welt

Tanztheater zu Fragen von Jugend und Social Media als einer absolut ambivalenten Beziehung.

#Teenies Welt. Gefangen im Netz der Jugend

Deutsch-Luxemburgisches-Schengen-Lyzeum Perl, Saarland

Um das Thema Jugend und Social Media geht es immer wieder, auch hier in dem Tanztheaterstück #Teenies Welt. Gefangen im Netz der Jugend. Die Produktion ist Ausdruck einer Suchbewegung von jungen Menschen: Wer bin ich, wer möchte ich sein? Und wie prägen Medien meine Identität?

Diese Fragen werden auf der Bühne nicht in erster Linie über Sprache verhandelt, sondern die Gruppe hat sich den zeitgenössischen Tanz als Ausdrucksmittel gewählt. Dementsprechend ist das Stück von Tanzeinlagen durchzogen, die geprägt sind von dynamischen, fließenden Bewegungen und die mit diversen - wohl aus Vorschlägen der Jugendlichen zusammengestellten - Popsongs unterlegt sind. Auch gibt es am Mikro gesungene Live-Songs, die von Tanzchoreografien begleitet werden.

Flankiert werden diese Choreografien von dem (sich wiederholenden) Auftritt zweier Spielerinnen, die sich als Youtuberinnen mit ihrem eigenen Kanal „#Teenies Welt“ inszenieren. Der Name ist hier Programm, d.h. es kreist alles um die Jugend, was diese ausmacht und ob diese nur noch im digitalen Raum lebt. Die jungen Spielerinnen stellen sich quasi selbst dar, zugleich repräsentieren sie die Generation Z – oder auch Digital Natives genannt –, denen der Umgang mit digitalen Medien quasi in die Wiege gelegt wurde; Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube sind fester Bestandteil ihres Alltags oder anders formuliert: Teil der Jugend.

Wie für Schultheaterproduktionen durchaus typisch, kommt auch diese Inszenierung mit wenigen Requisiten aus. Während im hinteren Teil der Bühne Luftballons an Schnüren über dem Boden schweben, befinden sich noch zwei Kartons auf der Bühne, von denen der eine schwarz angemalt und mit „Jugend“ beschriftet ist. Der andere Karton hingegen ist rosafarben und trägt die Aufschrift „Kindheit“. Die Inhalte der Kartons stehen hier symbolisch für beide Lebensphasen. Während die Spieler:innen aus dem Jugend-Karton lediglich Handys herausholen, finden sich in dem anderen die liebgewonnenen Sachen der Kindheit, wie z.B. eine Spieluhr, ein Springseil oder ein Kuscheltier. Für einen kurzen Moment geben sich die Spieler:innen ganz dem kindlichen Spiel hin. Dieses wird von gefühlvoll-träumerischer Klaviermusik begleitet, woran sich eine Tanzsequenz zum Song Y.O. Universe der Girl Band VCHA anschließt, die Unbeschwertheit und Leichtigkeit ausdrückt.

Ganz nach dem Motto „Reality strikes back“, werden die Spieler:innen ziemlich abrupt wieder ins Hier und Jetzt – in die Jugendzeit – zurückgeholt: Die Luftballons werden zum Platzen gebracht und alle Sachen wieder in der Box verstaut. Es folgen Szenen, die den täglichen, vor allem aber morgendlichen Stress von Jugendlichen zeigen oder die zum Ausdruck bringen, mit welchen Erwartungen die jungen Spieler:innen von Seiten der Eltern konfrontiert sind. Hierfür bilden sie einen Pulk auf der Bühne, sprechen einzeln oder chorisch. Gleichzeitig werden sie von zwei Spielerinnen umrundet, die typische Sätze von Eltern sprechen, wie: “Ich will doch nur dein Bestes!” Die junge Generation hingegen fühlt sich unverstanden. Zu hören sind Sätze wie: „Wir sind so müde, wir wollen so leben, wie wir es wollen. Alles was wir wollen, ist jemand, der uns so nimmt, wie wir sind“.

Allerdings sind es nicht nur die Eltern, die Erwartungen haben, sondern auch von Seiten des Internets kursieren Erwartungen, insbesondere was den Körper betrifft. Auch dieses Thema wird auf der Bühne durchaus eindrücklich verhandelt: Alle Spielerinnen machen sportliche Bewegungen, bis schließlich jemand umkippt, woraufhin sich alle am Mikro versammeln und über normierte Körperbilder sprechen, wie sie auf Social Media kursieren,und dem Druck, diesen entsprechen zu müssen. Ähnlich wie in der Eltern-Szene ist auch hier die Sprechhaltung wütend bis anklagend, zuweilen auch ein wenig mutlos bis resignativ. Am Ende der Szene halten die Spieler:innen Transparente hoch, auf denen „Broken“, „Hungry“ oder „Ugly“ steht (Musik: Scars to your Beautiful von Alessa Cara).

Dem einen oder anderen mag diese Szene – wie die Inszenierung insgesamt – zu anrührend sein im Sinne von Betroffenheitstheater. Auch wenn es freche-fetzige Tanzeinlagen gibt, beispielsweise als es um das Thema Zukunft und Geld geht und die Spieler:innen zu dem Song Rich Girl von Gwen Stefani tanzen, zeichnet sich die Inszenierung eher durch einen melancholischen Grundton aus und setzt darauf, dass die Zuschauenden sich in die Perspektive der Spieler:innen einfühlen, ja zuweilen mit ihnen leiden. Auch wenn es den Spieler:innen hoch anzurechnen ist, dass sie sich in ihrer Verletzlichkeit zeigen, so fehlen doch am Ende mehr kraftvolle und zuweilen auch irritierende Momente. So bleiben die Tanzchoreografien in einer bestimmten, eindimensionalen Formsprache verhaftet, die schön anmutet, aber nicht darüber hinausgeht. Gleichzeitig ist das Stück Ausdruck einer Ensemble-Leistung, was es sehr sehenswert macht.

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Fotografin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Studiengang Lehramt Theater, Studiengangsleiterin des Weiterbildungsmasters „Theater unterrichten“

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