Fokus 2024 - Leben

Three Minutes of Fame

Die Frage nach Glück, vertanzt in neun jugendnahen Bildern mit der verständlichen Lösung: Liebe - als zentraler Ankerpunkt für ein gelungenes Leben.

Three Minutes of Fame

Spielgruppe BERAGHZ! der Stadtteilschule Blankenese Hamburg

Was braucht man eigentlich, um glücklich zu sein? Geld? Frieden? Baklava? Ein Auto oder Schmuck? Gesundheit und Erfolg? Ist ein Therapeut notwendig? Oder ist es eher der Glaube? Oder Lust? Oder Liebe? Oder Mut? Eine eigene Meinung? Urlaub? Zeit? Hauptsache Partys? Bildung und einen guten Schulabschluss? Familie? Was ist mit einem Job? Hobbies und Tattoos? Geheimnisse? Einen pink glitzernden Gebetsteppich? Selbstvertrauen? Und was macht Glück kaputt?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Spielgruppe BERAGHZ! der Stadtteilschule Blankenese aus Hamburg in ihrem Tanztheaterstück Three Minutes of Fame. Ausgehend von den eigenen Biographien und körperlichen Improvisationen zu Musik wurden in der Probenphase neun bewegte Bilder entwickelt. Dabei ist ein dunkles Stück entstanden, wortwörtlich dunkel beleuchtet. Der Zuschauer sieht zunächst Schemen in grünem und blauem Licht. Es spielt laute, basslastige Musik, irgendwo zwischen Klassik und Techno. Stimmengewirr. Die Spielenden tragen schwarze Outfits, in Teilen sportlich, in Teilen Alltagskleidung. Sie sitzen auf der Bühne und starren ins Publikum. Einer steht auf der Podesterie im hinteren Teil der Bühne. Wie ein Puppenspieler veranlasst er die Gruppe zu einer Bewegungschoreographie. Im Gleichschritt sind Begrüßungen und Alltagsbewegungen zu sehen. Dann eine kurze Choreographie, die wie ein TikTok-Video anmutet. Kurze Zeit später wird ein Mikrofon aufgebaut. “Wenn ich 18 bin, kann ich mir Tattoos stechen lassen”, “Mit acht Jahren wurde ich im Bus vergessen.” “Ich bin Mavel-Fan.” “Ich teile mir mit meinen Geschwistern ein Zimmer.” und “Später will ich Herzchirurg werden.” hallt es gerade noch hörbar über den Technobeats. Die Gruppe läuft im Raumlauf über die Bühne. Hinten werden zur Musik kurze Bewegungsloops von einer Party getanzt. Vorne hingegen stehen Spielende in Standbildern mit zugehaltenen Augen, Ohren und Mündern, ähnlich wie die bekannten drei Affen-Emojis. Später werden im Spalier positive und negative Facetten des eigenen Lebens aufgezählt (etwa Dinge, die glücklich oder unglücklich machen?). Es werden Spaß, Glauben, Erfolg und Freunde Stress, Sucht, Flucht und Hohn gegenübergestellt. Und dann chorisch die Lösung(?): Liebe. In einer Schüler:innen-Rezension steht dazu: “Die Message war klar: Zusammen(?) ist die Liebe stärker als jeder negative Gedanke.” Es folgen projizierte Texte. „Mir fehlen die Worte“ und „Ganz in meiner Welt“ läuft da über den Rücken der Spielenden, die inzwischen in einer Reihe an der Bühnenrampe stehen. Einzelne Paare tanzen klassisch.

In einem weiteren Bild werden neun Holz-Rahmen aufgebaut, in denen sich Kleingruppen an Spielenden positionieren und gemeinsam Standbilder formieren. Es entwickeln sich fünf Geschichten über Freundschaft und Einsamkeit, Erfolg und Scheitern, über Mobbing und Zusammenhalt, über Lästern, Streit und Versöhnung. Das wirkt wie Serien-Snapshots oder Storys auf Instagram(?), die nach 24 Stunden einfach gelöscht werden. Das Stück endet mit dem Song I’ll Keep Coming von Low Roar und einem Spotlicht auf der hinteren Podesterie. Wo zu Beginn ein Puppenspieler stand und die Gruppe zur Bewegung brachte, sind nun nach und nach alle Spielenden einzeln oder in Paaren zu sehen. Sie präsentieren sich emanzipiert von dem, was da vorher war, und offenbar bereit für das, was kommen mag, das eigene Glück im Blick.

Die Spielgruppe BERAGHZ! zeigt mit ihrer Collage aus Tanz und Bewegungschoreographien einen eindrucksvollen Einblick in die Perspektiven von Jugendlichen, die sich auf dem Weg in die eigene Emanzipation befinden und auf der Suche nach dem eigenen Glück sind. Die präsentierten Bilder sind dabei geprägt von Emotionen, persönlichen Geschichten und Wünschen. Berührend ist dabei insbesondere die vermutete Ehrlichkeit und Nähe, die die Spielenden auf der Bühne für das Publikum zulassen.

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Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Studiengang Lehramt Theater, Studiengangsleiterin des Weiterbildungsmasters „Theater unterrichten“

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