Fokus 2024 - Leben

Vor, zurück, zur Seite ran - auf der Suche nach (der) Zeit

Collage über das Phänomen und das Erleben von Zeit

Vor, zurück, zur Seite ran – auf der Suche nach (der) Zeit

Theaterlabor Meißen, Grundschule Meißen, Sachsen Questenberg

Bekanntlich ist es mit der Zeit ja so eine Sache: entweder sie vergeht gefühlt viel zu schnell – zum Beispiel im Urlaub – oder auch zu langsam. So kann einem das Warten auf einen Zug gar lang werden. Oder auch die eine oder andere Schulstunde kann einem durchaus länger vorkommen als nur 45 Minuten. Dabei tickt die Uhr doch immer gleich, oder nicht?

Die Meißner Grundschüler:innen haben in ihrer Inszenierung das Phänomen Zeit einmal genauer beleuchtet. Zu sehen ist eine Collage, die sich aus kleinen Spielszenen, Erzählpassagen und Bewegungschoreografien zusammensetzt. Darin eingebettet ist eine Erzählung. Erzählt wird die Geschichte von Prof. Holger, der gemeinsam mit seinem Assistenten eine Zeitmaschine baut. Allerdings entwickelt die Maschine eine Art Eigenleben und die Zeitreise wird zum Abenteuer. So finden sich die beiden beispielsweise im Land der Dinosaurier wieder oder sie landen in Texas, wo sie auf eine Tanzgruppe treffen. Weiterhin gibt es kurze Zwischenspiele in Form von kleinen Erzählungen und Statements, in denen die Spieler:innen ihre Gedanken zum Thema Zeit hörbar werden lassen.

Eindrücklich sind die verschiedenen Bewegungschoreografien, die auf unterschiedliche Art und Weise das Thema Zeit verhandeln. Beispielsweise stellt eine Gruppe von Spieler:innen mit ihren Körpern eine Maschine dar. Zu sehen sind sich wiederholende Bewegungssequenzen im immer gleichen Rhythmus, die das Vergehen der Zeit sinnbildlich werden lassen. Tick Tack Tick Tack tönt es immerfort von der Bühne. Wieder andere Choreografien sind mit atmosphärischer Musik unterlegt und haben einen ruhigen, fast meditativen Charakter – ganz im Sinne von Zeit der Besinnung und inneren Einkehr, um zur Ruhe zu kommen. Wieder an anderer Stelle zeigen die Spielerinnen eine Tanzeinlage im Line-Dance-Stil, die auch dem Publikum sichtlich Spaß bereitet.

Die Inszenierung bedient sich insgesamt nur weniger Mittel und Effekte, um die Geschichten zu erzählen bzw. die verschiedenen Orte der Reise darzustellen. So benötigt es nur Kartons, Klarsichtfolie und andere Bastelutensilien, um eine Zeitmaschine darzustellen. Die Dinosaurier-Szene ist in grünes Licht getaucht und die Spieler:innen bewegen sich mit selbstgebastelten Masken kriechend über die Bühne.

Die beiden Spieler, die als Wissenschaftler mit der Maschine auftreten, wissen durchaus mit Witz und Charme zu improvisieren. Sie nehmen sich die Bühne, essen beispielsweise in ihrer je eigenen Zeit Chips, was – gepaart mit dem charmanten sächsischen Dialekt – wesentlich zur Unterhaltung des Publikums beiträgt. Allerdings kommt es dabei auch zu manchen Längen. Dies zeigt sich auch an anderen Stellen im Stück, in denen der Sprechanteil besonders hoch ist. Sie wirken häufig holprig, mehr aufgesagt als gesprochen und auch von der Körperlichkeit eher starr statt spielerisch leicht. Anders ist dies bei Bewegung auf der Bühne. Hier wirken die Spieler:innen als souveräner und präsenter. Dass die Inszenierung nicht mehr auf diese Tanz- und Bildsprache bzw. performative Elemente vertraut hat, ist schade. Auch drängt sich beim Zuschauen der Eindruck auf, dass es hier Haupt- und Nebenrollen gibt. So scheint es ein Ungleichgewicht zwischen den beiden Darstellern, die die Wissenschaftler spielen, und dem restlichen Ensemble zu geben. Auch ist kritisch anzumerken, dass in der Produktion zuweilen klassische Rollenbilder bedient bzw. reproduziert werden. Die männlich gelesenen Spieler treten als Wissenschaftler auf, eine weibliche Spielerin hingegen steht mit Kittelschürze bekleidet am Rand der Bühne und rührt mit dem Kochlöffel. Hier bleiben die Möglichkeiten des Theaters ungenutzt, mit Stereotypen aufzuräumen, diese zu überschreiben oder umzuarbeiten.

Insgesamt ist die Inszenierung aber ein gelungenes Beispiel für eine Eigenproduktion mit Grundschüler:innen zum Thema Zeit. Es überzeugt durch seine vielfältige Formensprache. Auch die Raumnutzung, die Gestaltung des Bühnenbildes (mit einfachen Mitteln) bzw. der Einsatz von Requisiten ist sehr überzeugend.

20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_520.jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_608 (2).jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_617.jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_667.jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_700.jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_723.jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_742 (2).jpg 20240925_Vor Zurück_©Kerstin Rolfes_805.jpg 20240925_Vor_Zurück©Kerstin Rolfes_113.jpg
Inhaltsverzeichnis

Fokus 2024 - Leben

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Studiengang Lehramt Theater, Studiengangsleiterin des Weiterbildungsmasters „Theater unterrichten“

ina.driemel@hmt-rostock.de

Redaktionsleitung

Position