SCHUL.THEATER

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GesellschaftsROLLEN

GeschlechterRollen

von Ina Drie­mel, Lukas Gün­ther, Micha­el Aust

„Hey Püpp­chen, …“ Die­se Anma­che hat womög­lich jede Frau schon ein­mal gehört, wenn sie allein auf der Stra­ße unter­wegs war. Es sind Situa­tio­nen, in denen einem als Frau das Adre­na­lin in den Kopf schießt und das Herz zu pochen beginnt, häu­fig aus Unbe­ha­gen und Scham, aber auch aus Wut über sol­cher­art von Anmach­spruch. Und in denen ich stumm blei­be, weil ich nicht pro­vo­zie­ren möch­te. Die Spiel­grup­pe Thea­ter­pro­jekt­kurs 1 der Ober­stu­fe Düs­sel­dor­fer Goe­the-Gym­na­si­ums hat ihr Stück mit die­sem Anmach­spruch über­ti­telt, den die Zuschau­en­den im Lau­fe der Auf­füh­rung denn öfters zu hören bekom­men. In ihrer Eigen­pro­duk­ti­on “Hey Püpp­chen…! Oder ist Lui­sa hier?” haben sich zwölf Schüler:innen mit dem The­ma Sexis­mus im All­tag und sexua­li­sier­ter Gewalt gegen­über Frau­en beschäftigt.

Es han­delt sich um eine Sze­nen­col­la­ge, die sich aus klei­nen Erzäh­lun­gen zusam­men­setzt: Erzählt wird von Momen­ten und Situa­tio­nen, in denen sich jun­ge Frau­en unwohl bis hilf­los gefühlt haben, Angst hat­ten, ange­macht wur­den. Die Insze­nie­rung besticht durch eine Viel­falt thea­tra­ler Mit­tel, wie der Arbeit mit Musik, dazu ein­drück­li­che Bewe­gungs­cho­reo­gra­fien, in denen kör­per­li­che Nähe als Grenz­ver­let­zung dar­ge­stellt oder Scham-Ges­ten gezeigt wer­den, wie auch cho­ri­sche Sequen­zen, die von einem ankla­gen­den, wüten­den Ton zeu­gen: (weißt du wie es sich anfühlt für mei­ne Kla­mot­ten beur­teilt zu wer­den, wenn du mir hin­ter pfeifst).

Her­vor­zu­he­ben ist die Arbeit mit Requi­si­ten: so blickt das Publi­kum zu Beginn auf eine Büh­ne, die nahe­zu voll­stän­dig mit Klei­dungs­stü­cken bedeckt ist. Im Lau­fe der Insze­nie­rung wird sich aus- und umge­zo­gen und dabei das Äuße­re, die Frau als Objekt (des Man­nes) zum The­ma gemacht. Die Spieler:innen geben Ein­bli­cke in die Welt von Social Media, wenn Pri­va­tes öffent­lich gemacht wird und dabei über ande­re, vor allem her­ge­zo­gen wird und Gren­zen ver­letzt werden.

Es ist der Insze­nie­rung deut­lich anzu­mer­ken, dass sich die Spieler:innen inten­siv mit der The­ma­tik aus­ein­an­der­ge­setzt und recher­chiert haben und dass sie auf­klä­ren wol­len. So wer­den den Zuschau­en­den denn auch Zah­len und Fak­ten prä­sen­tiert, z.B. über die Häu­fig­keit von sexu­el­lem Miss­brauch, Straf­ta­ten, wie vie­le Frau­en Zuflucht in Frau­en­häu­sern suchen oder auch dar­über, dass sich bei der Fra­ge: „Ist Lui­sa hier…?“ um einen Code han­delt. Frau­en kön­nen sich z.B. in Bars ans Per­so­nal wen­den und unmit­tel­bar und dis­kret Hil­fe bekommen.

Auf der Büh­ne wird ein Dis­kurs um sexua­li­sier­te Gewalt ent­fal­tet, der auch die Zuschrei­bung an Frau als „Schul­di­ge“ the­ma­ti­siert. Die Debat­te um den kur­zen Mini­rock, dass Frau­en eben selbst schuld sei­en, wenn sie sich auf bestimm­te Art und Wei­se klei­den. Es sind Debat­ten, die jun­gen Frau­en sug­ge­rie­ren, dass nicht das Gegen­über, son­dern sie selbst schuld sei­en. Die Stär­ke des Stü­ckes liegt dar­in, dass ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven ein­ge­nom­men wer­den und damit Pau­scha­li­sie­run­gen umgan­gen wer­den im Sin­ne von: alle Män­ner sind so und so. Hier­zu zählt ein Mono­log eines männ­lich gele­se­nen Jugend­li­chen, die dar­über spricht, was Sexis­mus, anzüg­li­ches Ver­hal­ten oder anzüg­li­che Äuße­run­gen gegen­über Frau­en mit ihm macht und wovon er sich distan­ziert (Ich bin nicht wie du, du bist all das, was ich nicht sein möchte…du bist schuld, dass ich mich nicht traue, Mäd­chen in der Schu­le Kom­pli­men­te zu machen, aus Angst, dass dies falsch ver­stan­den wer­den könn­te). Die Insze­nie­rung zeugt von einer Dring­lich­keit, die­ses The­ma auf der Büh­ne zu ver­han­deln und sich dabei auch ver­letz­lich zu zei­gen. Es ist ein Stück, das berührt und das Frau­en als Opfer von Stal­king und sexua­li­sier­ter Gewalt in den Blick nimmt. Aller­dings hät­te ich den Spieler:innen durch­aus ein Mehr an Prä­senz, Kraft und auch Mut gewünscht: Mut, auch ande­re Geschich­ten über Frau­en zu erzäh­len, Mut, auch sau­er und wütend zu sein und die­se Wut auch her­aus­zu­schrei­en. Eine Spiel-Inten­si­tät, die mit einer Form von Empower­ment ein­her­geht, einem selbst­be­stimm­ten Sich-Zei­gen als jun­ge Frau­en, die für­ein­an­der ein­ste­hen bzw. gemein­sam als cho­ri­scher Kraft­kör­per auf der Büh­ne ste­hen. Denn auch Frau­en dür­fen laut sein.

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