SCHUL.THEATER

Fokus

Projektbericht Schleswig-Holstein – Was wir dachten, was wir taten

Wie aus 750 Smartphone-Videos ein digitales Theaterstück entsteht

Knut Wink­mann

Eigen­pro­duk­ti­on nach dem Roman von Lea-Lina Oppermann

Büh­nen­fas­sung: Knut Wink­mann 

Beruf­li­che Schu­le des Krei­ses Stor­marn, Bad Oldesloe

Schles­wig-Hol­stein

Wahl­pflicht­kurs des 13. Jahrgangs

Mit­wir­ken­de: 11 Schüler*innen

Spiel­lei­tung: Knut Winkmann

Eine Alarm­glo­cke schrillt und schlag­ar­tig ist nichts mehr so, wie es vor­her war. Eine ver­mumm­te Per­son dringt in ein Klas­sen­zim­mer ein, sie hat eine Waf­fe. Sieht so ein Amok­lauf aus? Brie­fe tau­chen auf, die Per­son weiß mehr, als der Klas­se lieb ist. Es wer­den Geheim­nis­se an die Ober­flä­che gezerrt, kei­ner bleibt ver­schont. Mit­lau­fen oder sich posi­tio­nie­ren? Ein Mit­tel­weg ist nicht mehr mög­lich. Der Roman »Was wir dach­ten, was wir taten« von Lea-Lina Opper­mann fußt auf eine bri­san­te Fra­ge: Wel­che Dyna­mi­ken löst ein Amok­lauf inner­halb einer homo­gen erschei­nen­den Grup­pe aus? Dabei hält uns die Autorin einen scho­nungs­lo­sen Spie­gel vor, ihr Roman erin­nert in sei­ner Radi­ka­li­tät an Jan­ne Tel­lers Roman »Nichts. Was im Leben wich­tig ist«. Jun­ge Men­schen loten aus, was wirk­lich »Bedeu­tung« in ihrem Leben hat und gehen dabei in selbst auf­er­leg­ten Expe­ri­men­ten an ihre Gren­zen. Bei Lea-Lina Opper­mann kommt der Druck von außen, ganz real wer­den die Schüler*innen mit der Fra­ge kon­fron­tiert, für wel­che Wer­te man bereit ist, bis zum äußers­ten zu gehen.

Ein Wahlpflichtkurs Theater im Lockdown 

Die Dra­ma­ti­sie­rung des Romans war die Vor­la­ge für eine Spiel­club-Insze­nie­rung am Thea­ter Lübeck, wel­che im März 2020 vor dem ers­ten Lock­down zur Pre­miè­re kam, danach aber nicht wei­ter­ge­spielt wer­den konn­te. Unab­hän­gig davon star­te­te ich im August 2020 an der Beruf­li­chen Schu­le in Bad Oldes­loe mit einem Wahl­pflicht­kurs Thea­ter in Prä­senz, zusam­men mit den Lehr­kräf­ten Iris Klos­ter­mann und Ani­ta Evers. Es stan­den zunächst Thea­ter-Grund­la­gen im Zen­trum, die Prä­sen­ta­ti­on eines Stü­ckes bzw. einer Stück­ent­wick­lung zum Schul­jah­res­en­de war aber eben­falls ange­dacht. Im Zuge einer Stück­aus­wahl wur­den diver­se Stü­cke gemein­sam gele­sen, u.a. die Stück­vor­la­ge von »Was wir dach­ten, was wir taten«. Im Ple­num ent­schied sich der Kurs für die­se Fas­sung, ver­bun­den mit einer dar­an anschlie­ßen­den Arbeit am Text, da er für die Gege­ben­hei­ten vor Ort adap­tiert wer­den muss­te und unter ande­rem Beset­zungs­fra­gen neu bespro­chen wer­den mussten.

Bis zum zwei­ten Lock­down fan­den dann „regu­lä­re Pro­ben“ statt, die Anfangs-Sze­nen wur­den in Dop­pel­be­set­zung ein­stu­diert, es gab ers­te Ideen für ein Büh­nen­bild. Im Zuge des zwei­ten Lock­downs war jedoch völ­lig unklar, inwie­weit Prä­senz-Unter­richt wei­ter­hin mög­lich bzw. ob eine ana­lo­ge Pre­miè­re im Som­mer 2021 rea­li­sier­bar sein könn­te. Ab Dezem­ber war dann klar: Es fin­det kein Prä­senz­un­ter­richt mehr statt. Im Online-Ple­num wur­de gemein­sam mit dem Kurs bespro­chen, ob ggf. auch eine digi­ta­le Vari­an­te denk­bar sei. Da das Thea­ter­stück bereits einen inti­men Kam­mer­spiel-Cha­rak­ter auf­weist und an eine Ver­hör­si­tua­ti­on erin­nert, ent­schie­den wir uns dafür, das Stück fort­an als vor­pro­du­zier­te Film-Vari­an­te in der Kachel-Optik einer Online-Kon­fe­renz anzu­den­ken. Nicht alle aus dem Kurs hat­ten Inter­es­se an Online-Thea­ter, konn­ten sich eine digi­ta­le thea­tra­le Inter­ak­ti­on nicht vor­stel­len. Des­halb wur­de der Kurs geteilt. Die eine Hälf­te ent­schied sich für einen all­ge­mei­nen Online-Thea­ter-Kurs, in dem sie gemein­sam mit der Leh­re­rin Iris Klos­ter­mann Thea­ter­stü­cke online schau­ten oder in die Welt des Thea­ters ein­tauch­ten, um sich dar­über aus­zu­tau­schen. So wur­den bei­spiels­wei­se aus­ge­wähl­te Pod­cast-Fol­gen vom Thea­ter­pod­cast des Deutsch­land­funk Kul­tur besprochen.

Die ande­ren elf jun­gen Erwach­se­nen ent­schie­den sich, unter mei­ner Lei­tung eine Online-Ver­si­on des Thea­ter­stü­ckes zu erstellen.

WAS WIR DACHTEN, WAS WIR TATEN. Eine digitale Schnipseljagd 

Zunächst ein­mal muss­te der Text kom­plett neu bear­bei­tet wer­den. Wie kann man sze­ni­sche Vor­gän­ge, Gän­ge oder Raum­kon­stel­la­tio­nen digi­tal dar­stel­len? Wo muss gerafft/gekürzt wer­den? Wie kann man Figu­ren zusam­men­schrei­ben / zusam­men­le­gen? Die Grup­pe einig­te sich zunächst auf ein Grund-Set­ting im Kachel-Modus. Alle Takes soll­ten vor wei­ßem Hin­ter­grund und in schwar­zer Klei­dung erfol­gen, die Anord­nung der Darsteller*innen ent­sprach grob einer Sitz­ord­nung in einem Klassenzimmer.

Jeden Don­ners­tag traf sich die Grup­pe nun online über eine Online-Kon­fe­renz-Platt­form (ohne Bild­funk­ti­on). Nach einem War­mup wer­den jeweils 1–2 Sze­nen des Stü­ckes bespro­chen und gemein­sam erar­bei­tet. Was sind die Hal­tun­gen, Kon­stel­la­tio­nen der Figu­ren, um was geht es uns in den Sze­nen? Wel­ches zusätz­li­che Bild- und Ton­ma­te­ri­al hilft, die Geschich­te zu stärken?

Selbst pro­du­zier­tes Bild­ma­te­ri­al der Schüler*innen

Dann wur­den die ein­zel­nen Sprech­tex­te der Figu­ren als Takes durch­num­me­riert und die Sze­nen mehr­fach »durch­ge­spielt« und durch­ge­spro­chen. Im Anschluss an die­se gemein­sa­men Pro­ben nah­men die jun­gen Erwach­se­nen jeweils bei sich zu Hau­se die eige­nen Takes mit dem Smart­phone auf (manch­mal nur 1 Sekun­de lang), wobei alle als Vor­ga­be hat­ten, nahe­zu den glei­chen Bild­hin­ter­grund und Bild­aus­schnitt zu wäh­len. Die­se so erstan­de­nen Takes leg­ten sie in einer gemein­sa­men Drop­box. Die­ses Mate­ri­al dien­te dann mir und der Fil­me­ma­che­rin Katha­ri­na Spui­da-Jabbou­ti als Grund­la­ge, um aus den am Ende knapp 750 Takes und einem selbst erstell­ten Sto­ry­board wie bei einem Puz­zle die ein­zel­nen Sze­nen „zusam­men­zu­bau­en“. Das so ent­stan­de­ne Video­ma­te­ri­al wur­de dann in der nächs­ten Don­ners­tag-Pro­be wie­der gemein­sam vom gan­zen Kurs ange­schaut und bespro­chen, das Feed­back der Jugend­li­chen wur­de für den wei­te­ren „Fein­schliff“ der Sze­nen genutzt.

So ent­stan­den jede Woche 3–4 Minu­ten Stück­ma­te­ri­al und am Ende ein digi­ta­les Thea­ter­stück mit einer Gesamt­län­ge von 40 Minu­ten, wel­ches sei­ne Pre­miè­re über eine digi­ta­le Kon­fe­renz-Platt­form fei­er­te und zu der sich das Pre­mie­ren­pu­bli­kum live dazu­schal­ten konnte.

Hier die Anfangs­se­quenz der Produktion:

Trai­ler „Was wir dach­ten was wir taten”

Die knapp sechs­mo­na­ti­ge digi­ta­le Rei­se war für alle Betei­lig­ten her­aus­for­dern­des und span­nen­des Neu­land, die Reso­nanz auf die Pre­miè­re war wirk­lich beglü­ckend. Neben der Ein­la­dung zum »Schul­thea­ter der Län­der« war die Pro­duk­ti­on noch in der End­aus­wahl beim »Thea­ter­tref­fen der Jugend« der Ber­li­ner Festspiele.

SDL- Mediathek 
Wir stel­len alle Auf­füh­run­gen des SDL in unse­rer Fes­ti­val­me­dia­thek bereit. Tickets kön­nen für 29,90 Euro (regu­lär), 19,90 Euro (Mit­glie­der BVTS / Ver­bän­de) oder 9,90 Euro (wenn du einen Gäs­te­pass gekauft hast) erwor­ben wer­den. Zah­le per Über­wei­sung oder Pay­pal und erhal­te sofort Zugriff auf alle unten auf­ge­führ­ten Mit­schnit­te. Das Pass­wort erhältst du, sobald dei­ne Zah­lung ein­ge­gan­gen ist (bei Pay­pal sofort!). 
Knut Winkmann
Knut Winkmann 

Stu­dier­te u.a. Thea­ter­wis­sen­schaft (M.A.) und Kul­tur­ma­nage­ment, ist Thea­ter­päd­ago­ge BuT und arbei­te­te für diver­se Thea­ter, Fes­ti­vals und Medi­en­an­stal­ten. Aktu­ell lei­tet er die Abtei­lung Jung plus X am Thea­ter Lübeck, als Autor wer­den sei­ne Thea­ter­stü­cke deutsch­land­weit ver­tre­ten, als Dozent arbei­tet er u.a. auch für die Musik­hoch­schu­le Lübeck. Insze­nie­run­gen von ihm wur­den u.a. zu den Nord­deut­schen Thea­ter­ta­gen, zum Kalt­start Thea­ter­fes­ti­val Ham­burg sowie zum Bun­des­tref­fen Jugend­clubs an Thea­tern eingeladen. 

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