Nach der Aufführung von „Für dein vollkommenes Wohl“ treffe ich die Theatergruppe des Landesförderzentrums Sehen aus Schleswig hinter der Bühne. Ihr Stück erzählt von einer dystopischen Gesellschaft, die Individualität und Gefühle verbietet und davon, wie wichtig Vielfalt für ein funktionierendes Miteinander ist. Doch Vielfalt begleitet die Gruppe nicht nur inhaltlich, sondern auch ganz praktisch im Probenprozess.
„Es war auf jeden Fall kein gewöhnlicher Probenprozess... Wir sind alle ganz unterschiedlich, manche blind, manche seheingeschränkt, manche vom Gymnasium oder der Oberschule. Da braucht es viel Rücksicht, viele Absprachen und auch Humor. Natürlich gab es Höhen und Tiefen, aber gerade das hat uns zusammengeschweißt. Wir mussten lernen, aufeinander zu achten, und das hat die Gruppe stark gemacht.“
„Wir helfen uns gegenseitig, indem wir diejenigen, die noch ein bisschen sehen können, mit denen zusammenstellen, die gar nichts sehen. So können wir uns gegenseitig führen oder kleine Hilfen geben, damit alle ihren Platz auf der Bühne finden.
Wir arbeiten auch mit eindeutigen Markierungen: Kreuze, die man sehen und fühlen kann, Matten am Boden, die als Orientierung für die Bühnenkante dienen. Oder wir nutzen akustische Signale, wie ein Fingerschnipsen, damit klar ist, wann jemand auf- oder abgehen soll. Das mag simpel klingen, aber es gibt uns Sicherheit. Oft ist die Bühne dann voller Markierungen, aber genau das sorgt dafür, dass wir uns frei bewegen können. Für uns bedeutet Vielfalt, diese unterschiedlichen Strategien zu kombinieren und für jede*n passende Lösungen zu finden.“
„Wir kommen ja aus unterschiedlichen Schulen und kommen meist erst bei den Proben als große Gruppe zusammen. Das Theaterprojekt gibt uns die Möglichkeit, in kurzer Zeit sehr intensiv zusammenzuarbeiten. Weil wir uns aufeinander verlassen müssen, entsteht ein ganz besonderer Zusammenhalt. Ohne Vertrauen und Offenheit würde es gar nicht funktionieren. Wir glauben, das macht unsere Gruppe einzigartig. Vielfalt ist bei uns keine Theorie, sondern Alltag. Wir leben sie in jeder Probe.“
Dass man sich nicht von Einschränkungen aufhalten lassen sollte, egal was es ist. Man soll immer das machen, worauf man Bock hat. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel jemanden im Rollstuhl dabei, und wir haben Wege gefunden, ihn einzubinden. Es gibt immer eine Möglichkeit. Wenn die Gruppe wirklich an einem Strang zieht, dann funktioniert das und macht am Ende auch doppelt so viel Spaß.