SCHUL.THEATER

Fokus

Vorbereitungen zur Entwicklung einer Rolle: 

Gängige Bewegungsmuster durchbrechen um auf andere körperliche Formen zu kommen. 

von Micha­el Mül­ler, Schau­spiel­haus Hamburg

Wir pro­ben ein paar Fra­gen, die wir an das Publi­kum weitergeben. 

Mar­tha­ler

Kur­zer Gedan­ke:
In dem Pro­zess der Rol­len­ar­beit ging es nicht dar­um, eine zunächst frem­de Rol­le sich ähn­lich zu machen, sich in eine Per­son oder Situa­ti­on ein­zu­füh­len. Die Situa­ti­on erschuf der/die Spieler:in im Pro­ben­pro­zess durch seine/ihre emo­tio­na­le und kör­per­li­che Vor­ar­beit selbst und ver­band sie erst zu einem spä­te­ren Zeit­punkt mit dem Text. Im Gegen­satz zu Sta­nis­law­ski, wo wir nach einem Sub­text fra­gen, der bestän­dig unter den Wor­ten strömt, recht­fer­tigt, bezie­hungs­wei­se belebt und sucht, fand das Wort in unse­rer Arbeit nur Hand­lung vor, die nicht nach einer Recht­fer­ti­gung frag­te, son­dern sich mit Situa­tio­nen ver­band, die schein­bar gar nicht zu ihm pass­ten, zunächst sinn­los neben­ein­an­der­her lie­fen und letzt­end­lich durch ihre bewuss­te Aus­wahl zu einer Rol­le führ­ten. Wie konn­te das funk­tio­nie­ren? Rol­len ent­stan­den, die über die Dar­stel­lung der Selbst- und Welt­ver­hält­nis­se hin­aus­gin­gen, die Spieler:innen schütz­ten, aber nicht ver­deck­ten, offen­leg­ten und zur Dis­kus­si­on stell­ten, weil sie den Zustim­mungs­bo­nus des Authen­ti­schen ver­lo­ren hat­ten. Trotz alle­dem: Die Sehn­sucht nach einer Rol­le bei jun­gen Spieler:innen darf, und das ist immer die Gefahr einer rol­len­be­zo­ge­nen Arbeit, uns nicht zurück­wer­fen in die Cha­rak­ter­dar­stel­lung von nicht nach­voll­zieh­ba­rer Zustän­den und Figuren.

Inhalt 

Teil 1: Pollesch und Raumläufe

RAUMLAUF: Besetze den Raum

  1. 1 Nimm viel Volu­men ein, mach dich sicht­bar, mach dich groß, behaup­te dei­nen Platz.
  2. Jemand wird klein, die ande­ren rich­ten ihn/ sie mit ihrer Grö­ße auf.
  3. Eine Per­son „beglei­tet“ eine ande­re, ver­sucht einen gemein­sa­men Aus­druck zu fin­den, nach einer Wei­le trennt man sich.
  4. Eine Per­son bleibt ste­hen, eine wei­te­re umkreist sie, wie­der auflösen.
  5. Alle gehen im Kreis, eine Per­son, die vor­ne ankommt, stellt sich da, alle gehen hin­ter ihr wei­ter, beach­ten sie bis die nächs­te ste­hen bleibt, es kön­nen sich ein oder zwei dazustellen.
  6. Zwei Per­so­nen ste­hen mit Abstand hin­ter­ein­an­der auf einer Linie
    Per­son 1 läuft nach vor­ne, wird immer schnel­ler, stoppt/ bleibt ste­hen
    Per­son 2 (hin­ten) star­tet danach, wird immer lang­sa­mer bis sie ange­kom­men Umdre­hen und wech­seln. Per­so­nen hin­ter­ein­an­der.
    NR 1 läuft los bleibt ste­hen,
    NR 2 läuft los, stellt sich vor sie usw.
    Varia­ti­on: Schnell//langsam

 

RAUMLAUF:  TEAM

  1. Alle lau­fen nach ein­an­der quer über die Bühne
  2. Alle kreu­zen sich in der Mitte
  3. Machen einen kur­zen Stopp und eine Pose, wenn sie sich treffen.
  4. Alle in die Mitte
  5. Lage­be­spre­chung, explodieren
  6. Machen eine Tätig­keit (egal was)
  7. Ver­ste­cken sich, suchen sich.
  8. Kom­men raus mit Reisetasche
  9. Alle in die Mitte
  10. dis­ku­tie­ren, explodieren
  11. Gehen in die Ecken (in alle vier!)
  12. Gehen in die Mit­te, zei­gen in alle Richtungen
  13. Gehen in einer Rei­he los
  14. Fal­schen Weg, gehen in die ande­re Richtung
  15. Gehen im Kreis (Taschen wer­den lang­sam schwer)
  16. Gehen in die Mit­te, wer­fen Taschen hin
  17. Streit, explo­die­ren und ab an die Büh­nen­sei­te (Musik endet)

 


ANWENDUNG RAUMLAUF / POLLESCH
TEXTE ARBEITSBLATT  


Ihr erhal­tet hier einen bear­bei­ten Aus­schnitt aus dem Stück PROBLEME PROBLEME PROBLEME von René Pol­lesch.
Wählt bit­te auf­grund der Übun­gen, die wir gemacht haben, ein/ meh­re­re Spiel­prin­zi­pi­en aus und stellt die Tex­te mit ihrer Hil­fe da.
Die Ver­tei­lung der Tex­te ist euch über­las­sen.
Die Auf­füh­rung soll­te max. 2 bis 3 Minu­ten dauern

Teil 2: eine Gruppe spielt, eine schaut zu 

Advance-Extend – Improauftrag Gruppe 1

In der Erzähl­kunst (Dra­ma­tur­gie) gibt es die Begrif­fe Advan­ce und Extend. Die­se bezeich­nen die zwei Dimen­sio­nen (Rich­tun­gen), in der eine Geschich­te erzählt wird.
TEXT Mono­log­aus­schnitt (Advan­ce) 
ORT Tat­ort Haus Elekt­ras Fami­lie // Grab des Vaters (Extend) plus beschrie­be­ner Emo­ti­on
Wenn „Fortschritt/ Erwei­tern (Advan­ce)“ auf­ge­ru­fen wird, kon­zen­trie­ren sich die Spie­ler aus­schließ­lich auf die Geschich­te und trei­ben die Geschich­te vor­an. 
Wenn „Erwei­tern (Extend)“ auf­ge­ru­fen wird, erkun­den und beschrei­ben die Spie­ler aus­schließ­lich ihre Umge­bung. Wäh­rend eines „Vor­sto­ßes“ wür­den die Spie­ler der Umge­bung nichts hin­zu­fü­gen, aber kon­struk­ti­ve neue Infor­ma­tio­nen dar­über ein­brin­gen, wer, war­um und wo. 
„Extend”: In die Brei­te: die Hand­lung bleibt an der aktu­el­len Stel­le ste­hen und es wird der aktu­el­le Moment/Ort/Gegenstand in all sei­nen Facet­ten beschrie­ben. Auch Gedan­ken und Gefüh­le gehö­ren hier­zu. Der Zuhö­rer bekommt dadurch ein detail­lier­tes Bild vor dem geis­ti­gen Auge. Wäh­rend einer „Erwei­te­rung (Extend)“ wird die Geschich­te völ­lig igno­riert, Cha­rak­te­re wer­den nicht ent­wi­ckelt und die Spie­ler ver­tie­fen sich in ihre nachgeahmten/ fik­ti­ven Umge­bun­gen. Z.B. Das Wasch­be­cken, an dem ihre Figur steht, wird zum Mit­tel­punkt. Die Was­ser­häh­ne wer­den erforscht, die Form wird erforscht, ihr Geschmack usw. Auch hier wird die Geschich­te durch die „Erwei­te­rung“ ent­gleist, aber die Umge­bung wird viel rea­ler.
Die Übung soll die Ener­gie erhö­hen, eine neue Spielart/ Cha­rak­ter­form ein­füh­ren, aber jedes Ange­bot muss dazu füh­ren, dass die Geschich­te vor­an­schrei­tet. Die­se Fort­schrit­te kön­nen unter Aus­schluss der Umwelt und sogar der Rea­li­tät erfol­gen. Ziel der Übung ist es, den Spie­lern bewusst zu machen, wann sie eine Geschich­te vorantreiben.

Sitzen Stehen Liegen – Gruppenwechsel Gruppe 2

Es wird eine Sze­ne gespielt, in der gleich vie­le Dar­stel­ler ste­hen, sit­zen, lie­gen (in die­sem Fall 4).

  • 1 bis 4 stehen
  • 5 bis 8 sitzen
  • 9 bis 12 liegen


Die­se „Balan­ce” ist wäh­rend des Spiels auf­recht zu erhal­ten. Wech­selt also einer der Spie­ler sei­ne „Ebe­ne” (zum Bei­spiel vom Ste­hen zum Sit­zen), muss unver­züg­lich einer der ande­ren die aktu­ell nicht dar­ge­stell­te „Ebe­ne” ein­neh­men. Wenn es meh­re­re machen, müsst ihr impro­vi­sie­ren, um die Balan­ce wie­der­her­zu­stel­len) Nicht über­neh­men muss man die kon­kre­te Kör­per­hal­tung (Ges­tik) des Ande­ren! Die Ebe­nen­wech­sel sind im Spiel zu recht­fer­ti­gen. Effek­tiv wird es, wenn es vie­le Hal­tungs­än­de­run­gen gibt, also immer wie­der jemand gezwun­gen wird sich zu bewe­gen (und die­se Ver­än­de­rung zu begrün­den und in eine Bewe­gung einzubauen).

ELEKTRA (Ausschnitte aus einem Monolog):

1: Ich habe auf ihn gewartet und ich werde geduldig warten, wenn es sein muss.
2: Ich habe alle Blicke nach ihm gerichtet, in die Ferne.
3: Bis ans Ende der Welt würde ich für diesen Tag gehen und noch mal zurück.
4: Im Schneckentempo kriechend, oder so schnell laufen bis meine Lungen explodieren.
5: Ich habe alle Worte für ihn gesammelt, die ich nicht gesagt habe.
6: Einmal alle Grenzen überwinden, einmal so laut schreien, dass man hört, was ich zu sagen habe.
7: Ich habe gewartet, Orest, du bist es mir schuldig, komm zurück, komm und lass uns anfangen die Lungen mit Freiheit zu pumpen.
8: Vater sagte, dass die Welt von heute ins endlose Dunkel rollt und v wir müssen wieder Licht in dieses Dunkel bringen.
9: Du bist es mir schuldig, dass du kommst und das tust, was getan werden muss.
10: Einmal dieses Haus wegsprengen, mit allem Sprengstoff der Welt, damit es alles Böse unter sich begräbt.
11: Einmal über alle Zäune hinwegklettern und alle Stacheldrähte durchschneiden.
12: Einmal kein Krieg mehr, einmal keine Panzer mehr, die über die Maisfelder rollen.
13: Einmal einen Sonnenuntergang ohne Schüsse, egal wo ...

Teil 3: Murakami Moves / Leonce und Lena 

Jed*er Teilnehmer*in erhält ein Bewe­gungs­mus­ter (was man mit den Spieler*innen auch indi­vi­du­ell ohne Vor­ga­ben erar­bei­ten kann) Zu die­sem Mus­ter bekommt jede*r die Rol­len­zu­wei­sung. Die Grup­pe per­formt den Text im Gehen und/oder im Ste­hen, indem jede*r ihr/sein Bewe­gugs­mus­ter im Dia­log ein­setzt.
Am bes­ten gehen/ stehen/ blei­ben ste­hen zunächst alle OHNE TEXT, der dann stel­len­wei­se ein­ge­setzt wird.
Anwen­dung der Bewe­gungs­mus­ter auf Stück­tex­te von Leon­ce und Lena. // Bear­bei­tung Georg Büch­ner Text von Micha­el Mül­ler 2020
Jede Sze­ne (Rei­se Leonce1+ 2; Lena 1) jeweils 5 Personen

Teil 4: KAFKA Aktion-Reaktion 

Spielaufträge – Thom Luz Style – DIE 8 OKTAVHEFTE

ent­wi­ckelt von Marie Pet­zold für das Deut­sche Schau­spiel­haus Hamburg

Spiel­feld genau defi­nie­ren
Wenn A pas­siert folgt B / Spielaufträge

1: Du beginnst, lau­fe 4 dia­go­nal durch den Raum. Blei­be nach 4 Mal wie­der stehen.

Wenn eine Per­son beginnt dia­go­nal durch den Raum zu lau­fen, lau­fe ihr sofort hin­ter her.

Wenn 2 Per­so­nen dia­go­nal durch den Raum gelau­fen sind und anschlie­ßend wie­der ste­hen blei­ben, set­ze dich in die Mit­te des Spiel­fel­des und ließ ein Buch.

Sobald eine Per­son ein Buch liest, lege dich neben sie auf den Boden und schau in den Himmel.

Sobald sich eine Per­son auf den Boden gelegt hat und in den Him­mel schaut, win­ke alle, die auf der Büh­ne sind her­an: sobald alle bei dir sind, schal­te die Musik ein und lei­te eine klei­ne Tanz­cho­reo­gra­fie an. Schal­te anschlie­ßend die Musik wie­der aus und bit­te alle abzugehen.

Sobald jemand getanzt hat und die Musik aus­ge­schal­tet hat, stell dich in die Mit­te des Spiel­fel­des und stre­cke die Arme nach oben.

Sobald eine Per­son in der Mit­te des Spiel­fel­des mit aus­ge­streck­ten Armen steht, gehe zu ihr und umar­me sie min­des­tens 30 Sekunden.

Wenn eine Per­son umarmt wird, gehe zwei Schrit­te auf sie zu und impro­vi­sie­re eine Lie­bes­er­klä­rung, blei­be anschlie­ßend stehen.

Sobald jemand eine Lie­bes­er­klä­rung macht, umkrei­se lang­sam die Per­son, die sie gespro­chen hat (min­des­tens 3 Runden)

Wenn eine Per­son umkreist wird, set­ze dich auf den Boden und wei­ne lei­se vor dich hin.

Wenn sich eine Per­son hin­setzt und weint, hüp­fe fröh­lich über das Spielfeld.

Sobald eine Per­son fröh­lich über das Spiel­feld hüpft, feue­re sie dabei an. Bit­te alle sie anzu­feu­ern und bit­te dann alle die Büh­ne zu verlassen.

Nach­dem eine Per­son ange­feu­ert wur­de, nimm dei­nen Stuhl stel­le dich darauf.

Wenn sich eine Per­son auf einen Stuhl stellt, nimm dei­nen Stuhl und set­ze dich im Raum hin.

Wenn eine auf einem Stuhl steht und sich eine Per­son auf einen Stuhl gesetzt hat, nimm dir auch einen Stuhl und set­ze dich neben sie.

Wenn 2 Per­so­nen auf einem Stuhl sit­zen und eine auf einem Stuhl steht, nimm dir auch einen Stuhl und set­ze dich neben die 2 Personen

Wenn 3 Per­so­nen auf einem Stuhl sit­zen, nimm dir auch einen Stuhl und set­ze dich ihnen gegenüber.

Wenn 4 Per­so­nen auf einem Stuhl sit­zen, nimm dir auch einen Stuhl, gehe auf sie zu und set­ze dich dann aber woan­ders hin.

Wenn 5 Per­so­nen auf einem Stuhl sit­zen, lege dich davor auf die Sei­te und mache auf dich aufmerksam.

Wenn jemand sich vor eine Stuhl­rei­he liegt und sich wich­tig­ma­chen will, steh bedeu­tungs­voll auf, ver­mitt­le in drei knap­pen Sät­zen das Schluss­bild der Per­for­mance und erklä­re sie für beendet.

 

IM ZWEITEN SCHRITT SÄTZE DAZU // EINE AUSWAHL NACH BELIEBEN
JEDE*R MEHRERE SÄTZE / EMOTINEN WECHSELND, MUSS NICHT ALLES DEPRESSIV SEIN

25. Oktober. Traurig, nervös, körperlich unwohl, Angst vor der Stadt, ab ins Bett.
12. Januar Zurück in meinem Zimmer. Draußen: Eine von vielen möglichen Welt, aber leise und weit weg, als stünde sie unter Wasser
17. Oktober. Ich irre weiter.
18. Oktober. Furcht vor der Nacht. Furcht vor der Nicht-Nacht
6. November. Ein Käfig ging einen Vogel suchen.
12. November. Abwehr. Briefe, Tagebuch.
18. November. Wie soll man den ekel- und hasserfüllten Kopf auf die Brust senken, wenn dich jemand am Hals würgt?
30. November. Zeitungen lesen. / 17. Dezember. Leere Tage.
2. Januar. ›hier ankere ich nicht‹ im Tagebuch notiert, und gleich wieder durchgestrichen
14. Januar. Trüb, schwach, ungeduldig.
15. Januar. Ungeduldig. schwach Nachtspaziergang
16. Januar. Kein Tropfen überfließt und für keinen Tropfen ist mehr Platz.
17. Januar. Einschränkung im Angesicht der Ewigkeit
18. Januar. Wenn ich ewig sein werde, wie werde ich morgen sein?
22. Januar. Versuch nach draussen zu gehn.
4. Februar. Langes Liegen, Schlaflosigkeit, Bewußtwerden des Kampfes.
19. Februar. Zurück ins Zimmer.
25. Februar. Morgenklarheit. Poseidon wurde seiner Meere überdrüssig.
26. Zurück ins Zimmer / 27. Zimmer / 28. Zimmer / 29. Zimmer - Stunde.
26 Februar: Das Grausamste des Todes: ein scheinbares Ende verursacht einen wirklichen Schmerz.
27. Februar Was ich berühre, zerfällt.
8. Dezember. Zerworfenheit. Katze im Zimme

 

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