Die Zentrale ArbeitsTagung 2022 SCHULTHEATER.TRANSKULTURALITÄT des Bundesverbandes Theater in Schulen e.V. vom 24. bis 26. April in der Bundesakademie Wolfenbüttel fragt, wie wir in Schule durch Theater transkulturelle Bildungsprozesse initiieren können, um spielerisch eine Transformation von Schule und Gesellschaft durch das Schultheater grenzüberschreitend zu gestalten. Diese Frage beinhaltet sowohl eine schulinterne (lokale) als auch eine schulübergreifende (globale) Perspektive, die im transkulturellen Konzept von GLOKALITÄT zusammengedacht werden: Kulturelle Selbst- und Weltverhältnisse bilden sich in einem dynamischen, sich stets verändernden und von individuellen Aktivitäten geprägten Austausch unterschiedlicher Lebensformen, Wertehaltungen und Weltanschauungen und lassen sich in ihrer Komplexität nur verstehen, wenn ich das Eigene im Fremden meiner Lebenswelt und umgekehrt miteinander in Verbindung bringe.
Der BVTS hat, um gesellschaftliche Transformationsprozesse anzustoßen, zwei transkulturelle Initiativen gestartet, die wir grenzübergreifend in transkulturellen Projekten in und zwischen Schulen weiterentwickeln wollen:
17:00–17:30 Uhr
Kleines Foyer, Mühlenfoyer
Ankommen und informelle Begrüßung im Kleinen Foyer und im Mühlenfoyer
17:30–18:00 Uhr
Grußworte durch Vorstände und BA im Mühlenfoyer
18:00–19:00 Uhr
Abendessen in der BA
19:00–21:00 Uhr: In transkulturelle Gespräche kommen
Mit Impulsen unter anderem von Prof. Dr. Elise von Bernstorff (HBK Braunschweig) und Grietje Hansen (Leibniz Universität Hannover) und Sandra Chatterjee. Moderation: Leyla Ercan
Der Transkulturalitätsbegriff geht mit Wolfgang Welsch von der grundlegenden These aus, dass wir alle – und heute umso mehr – im Prozess der Globalisierung durch weltweite Migration und intensiven kulturellen Austausch „kulturelle Mischlinge“ sind. „Transkulturalität und nicht etwa Monokulturalität kennzeichnet demnach die humane Existenz.“ Kulturen seien nicht wie bei Herder als innen homogene und nach außen abweisende Kugelidentitäten zu verstehen, sondern historisch hybrid und durch „Verflechtungen und Gemeinsamkeiten“ gekennzeichnet. Postmoderne Gesellschaften sind intern vielfältig differenziert und extern stark verflochten: Es gibt grenzübergreifend gemeinsame Lebensformen und transkulturelle Hybridisierungen, „die Trennschärfe zwischen Eigen- und Fremdkultur verschwindet zunehmend“. Dieser Transformationsprozess betrifft alle kulturellen Dimensionen, „Menschenrechte, Feminismus und Ökologie stellen heute mächtige Wirkfaktoren quer durch die verschiedenen Gesellschaften dar“.
Individuen können heute prinzipiell mit einer Vielfalt kultureller Muster bekannt werden und intern unterschiedliche kulturelle Elemente in sich verbinden, innerlich plural werden – sich durch Transformationsprozesse des Selbst- und Weltverhältnisses bilden. Dadurch wird Inklusion möglich, dass durch interne Transkulturalität Gemeinsamkeiten mit der Identität anderer Individuen gesehen werden können, die darüber in Kommunikation miteinander kommen.
Anschließend
Zeit für gemütlichen Austausch im Mühlenfoyer und im Kleinen Foyer
8:00–9:00 Uhr
Frühstück in der BA
bis 10:00 Uhr
Fahrt nach Braunschweig Innenstadt
ca. 10:00–11:30 Uhr
Audio Walk in Braunschweigs Innenstadt:
„stadt.sehen.hören.” – Ein transkultureller Audiowalk – GRINS e.V. mit Theresa Meidinger und Esther Jurkiewicz
Alles Leben in der Nähe von Menschen ist umgeben von Häusern, Straßen, Autos, Fahrrädern, Tieren wie Hunden, Katzen oder Vögeln, Bäume zieren die Alleen oder Parks, in den großen Schaufenstern leuchten die Reklameschilder, um die Ecke gibt es Sushi, Piroggen oder Baguette und von deinem Fenster aus lassen sich die Minarette ebenso gut erkennen, wie das Taj Mahal. Stimmt’s? Oder stimmt’s nicht? Und wenn es nicht stimmen sollte, wir leben in einer globalisierten Welt. Migrationsgeschichten, Auslandsaufenthalte, Urlaubsreisen, meist sprechen wir auch mehr als eine Sprache fließend. Ein AUDIOWALK, in welchem wir uns den wachsenden Verbindungen von Kulturen und Sprachen widmen. Wir vermischen Schauplätze und Kulturen miteinander und gestalten unser eigenes Braunschweig. Bunt. Offen. Vielseitig.
Bitte Kopfhörer für das eigene Smartphone mitbringen und den Walk “Mitte – Innenstadt” ggf. vorab downloaden!
https://www.grinsverein.de/audiowalk/
danach
Rückfahrt nach Wolfenbüttel
12:30–13:30 Uhr
Mittagessen in der BA
14:00–18:00 Uhr
WORKSHOPS:
A) Transkulturell anfangen
Matin Soofipour Omam
Der Schwerpunkt des Workshops liegt im Gestalten und Ausprobieren des Kennenlernens in theaterpädagogischen Projekten sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext und bietet Raum zur Reflexion für die Anwendbarkeit. Wir erproben vielfältige Einstiege, um einen gemeinsamen Start und dynamische, transkulturelle Prozesse in einer Gruppe anzustoßen und erforschen mögliche Zugänge, wie wir in einen künstlerischen, aber auch sensiblen und achtsamen Anfang gestalten und mit der Gruppe in einen transkulturellen, kreativen Dialog kommen können. Dieses Angebot richtet sich an Pädagog*innen sowie an Interessierte aus dem außerschulischen Bereich, die sich mit dem transkulturellen Forming einer Gruppen- bzw. Klassendynamik und Methoden der Theaterpädagogik auseinandersetzen wollen.
B) Hear your voice
Nina de la Chevallerie
In den letzten Monaten haben die Theatermacher*innen von boat people projekt verstärkt in transkulturellen Teams an Schulen gearbeitet zu der Themenüberschrift HEAR YOUR VOICE. Dabei ging und geht es darum, die Themen der SuS aufzugreifen, kontroverse Diskussionen theatral sichtbar zu machen und die verschiedenen Perspektiven zu hören. Sowohl das Einander-Zuhören als auch der Versuch die eigene Perspektive kenntlich zu machen und ggf. zu überprüfen oder gar zu verändern wurde mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln ausprobiert. Diese Methoden werden im Workshop exemplarisch erprobt, reflektiert und weiterentwickelt an inhaltlich diskursiven Themen wie Ehrbegriff, Genderdefinition, Feminismus, Nationalismus.
C) Table Conversations #4 – Bewegung zwischen Kulturen
In diesem Workshop basierend auf ‚Table Conversations’ werden Tische Plattformen des Austausches und Miniaturbühnen. In ‚guided silent conversations’ wird zunächst körperlich – über den Tisch hinweg – kommuniziert. Dabei probieren wir gemeinsam Kommunikationsanleitungen performativ und spielerisch aus – zunächst körperlich und ohne (gesprochene) Sprache, um uns dann auch in verbale Dialoge über Transkulturalität und Bewegung zu begeben.
Das Format der Table Conversations basiert auf einer performativen Reihe, die ab 2012 zwischen Sandra Chatterjee, Chris Lechner und Sunita Asnani entstand.
18:00–19:00 Uhr
Abendessen in der BA
19:00–20:30 Uhr
Mühlenfoyer
Filmpremiere „1300 KM UND EIN KLICK” (von Uta Plate und Aaike Stuart (Bildregie) / Goethe Institut Belgrad, 2022) + anschließendes Gespräch via Zoom.
Das partizipative Filmprojekt mit 19 Jugendlichen aus Valjevo (Serbien) und Berlin (Deutschland) zeigt, wie trotz der Ferne ein Tauschhandel an Geschichten, Gedanken und Ideen stattfinden kann. Der Prozess der Begegnung, nämlich in 1:1 Matches, erzählt, wie aus Fremdbildern Nahaufnahmen werden. Das Publikum erhält Ein-Sichten in jugendliche Lebenswelten in Serbien und Deutschland und in entstehende Freundschaften.
Anschließend
Zeit für gemütlichen Austausch im Mühlenfoyer und im Kleinen Foyer
8:00–9:00
Frühstück in der BA
Praxis-Perspektiven (transkulturelles Lernen), 6 Räume, Moderation: Leyla Ercan:
I) Sprachlernendes Spiel
Johanne Bellersen
#sprachlernendesspiel ist ein transkulturelles Theater- und Sprachlernprojekt in Hannover, das die Sprachkompetenz von Schüler*innen, die Deutsch als Zweitsprache lernen, mit theaterpädagogischen Mitteln fördert. Über die Dauer eines Schuljahres werden von zwei Studierenden des Studienfachs Darstellendes Spiel theatrale Grundlagen und die deutsche Sprache vermittelt. Außerdem wird gemeinsam eine Inszenierung entwickelt. Der theatrale Produktionsprozess lädt die maximal heterogenen Lerngruppen zum kreativen Austausch ein und ermöglicht den Schüler*innen kulturelle Teilhabe in ihrem neuen Heimatland.
Nach einer kurzen Vorstellung des zweistufigen Lernverfahrens von #sprachlernendesspiel sowie der Projektstruktur kommen wir über pädagogische Vorzeichen, mögliche Hürden und Grenzen unserer Arbeit ins Gespräch. Abschließend laden wir euch als Expert*innen für Schultheater herzlich ein, mit uns über Adaptionsmöglichkeiten und eine überregionale Weiterentwicklung des Projekts zu brainstormen.
II) GRINS e.V. Braunschweig
Der Zweck des GRINS Vereins Braunschweig ist die Förderung von Kunst und Kultur, kultureller Bildung, künstlerischer und theaterpädagogischer Projekte insbesondere durch die Arbeit mit unterschiedlichen Kultur- und Zielgruppen.
Neben dieser aktiven Arbeit mit Asylsuchenden organisiert GRINS zusätzlich Theater‑, Konzert- und Festivalbesuche.
Der Verein dient als Plattform für den Austausch und die Umsetzung künstlerischer, kultureller und pädagogischer Projekte und Ideen auf regionaler und überregionaler Ebene sowie als Plattform zur Völkerverständigung zwischen der Aufnahmegesellschaft und Flüchtenden mit Hilfe von kulturellen und künstlerischen Mitteln.
III) boat people projekt e.V. / Göttingen
Nina de la Chevallerie
Freies Austauschforum über transkulturelle Initiativen und Perspektiven für grenzüberschreitende Schultheaterprojekte.
Seit 2009 führt das Freie Theater boat people projekt Theaterprojekt auch an und mit Schulen durch. Zu der langjährigen Erfahrungen gehören Erfolge, sinnstiftendes Arbeiten für alle Seiten, aber auch Enttäuschungen, Scheitern, Verletzungen. Das Forum soll diesen Grenzerfahrungen und dem Scheitern einen Raum für einen Austausch geben. Gemeinsam analysieren wir „Fehlerquellen” aus dem praktischen Arbeiten und erarbeiten daraus Perspektiven.
IV) Workshops an Schulen
Gabriela Vasileva
Hajusom e.V. ist ein Zentrum für transnationale Künste in Hamburg. Viele Menschen mit und ohne Fluchterfahrung haben es seit 1999 geformt.
In Hajusoms LAB und TRANSFER-Angeboten können sich Jugendliche und junge Erwachsene ausprobieren und experimentieren, wachsen und wandern: Hier werden Erlebnisse zu Texten, Gedanken zu Melodien, aus einer Laune eine ganze Choreografie. Erfahrene Künstler*innen unterstützen junge Menschen dabei, künstlerische Werkzeuge zu entdecken und zum Ausdruck ihrer Persönlichkeit werden zu lassen.
Im Frühjahr 2021 entstand das erste hybride Format im Rahmen einer Kooperation zwischen Hajusom und KAROLONIA Spezies 21. Ein Hörspiel von und mit Schüler*innen der Stadtteilschule Horn und angeleitet von Elmira Ghafoori und Katalina Götz.
V) Theatersprachcamp
Wolfgang Sting
Das Hamburger TheaterSprachCamp (TSC) ist ein ganzheitliches und inklusives Lern- und Bildungsprogramm, das Sprach(en)bildung und ästhetische Bildung durch Lesen, Theater, Spiel und Freizeit verbindet. Als Kooperationsprojekt der Behörde für Schule und Berufsbildung, der Universität Hamburg, des Jugenderholungswerks Hamburg e. V., des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung und der academie crearTaT findet das TSC seit 2007 jährlich als dreiwöchige Ferienfreizeit statt. Das besondere Profil dieser Sprach(en)bildung/Sprachförderung für Kinder der dritten bzw. vierten Klasse mit und ohne Migrationshintergrund liegt in der produktiven Verzahnung von Lesen, Theaterspielen, Singen, Schreiben mit Spielen und Freizeit. Die Mehrsprachigkeit und Diversität in den Kindergruppen wird als Potenzial in die Sprach- und Theaterarbeit eingebunden. Die Qualifizierung der Betreuer:innen, meist Studierende der Uni Hamburg, im Bereich Theater erfolgt über den Arbeitsbereich Theaterpädagogik, Seminarleitung Irinell Ruf (u.a. mit Boals Theateransatz). Theater schafft emotionale Sprechanlässe und inszeniert Sprechen in einer Vielfalt aus Text, Körper, Raum, Zeit, Bild, Ton, Musik, Interaktion. Insbesondere durch seine performativen, spielerisch-szenischen und sinnlichen Momente kann Theater Sprach(en)bildung unterstützen, auch weil es soziale wie ästhetische Wahrnehmungsprozesse anregt.
VI) Transkulturell /Gemeinsam/Maßlos – ein programmatischer Neustart am Theater Osnabrück
Sophia Grüdelbach
Transkulturell steht für das Miteinander in der Begegnung unterschiedlicher Kulturen. So eröffnet das Verschwinden von festen Gewissheiten hin zu einem offenen, fließenden Bild von Identitäten Räume für unerwartete Begegnungen.“ (Das neue Leitungsteam Theater Osnabrück)
Künstlerischer Ausdruck ist immer auch geprägt von der ganz persönlichen kulturellen Erfahrung einer/eines jeden Einzelnen. Moderne Kulturen sind nie geschlossen und eindeutig abgrenzbar, sie sind miteinander verflochten und durchdringen einander. Das Theater Osnabrück Transkulturell möchte ab der Spielzeit 2021/22 gezielt das Publikum aller kulturellen Herkunft ansprechen. In jeder Spielzeit wird mit einem Länderschwerpunkt ein anderer Kulturkreis mit seinen Geschichten, Musikstilen und künstlerischen Ausdrucksformen in den Fokus des gesamten Spielplans gerückt. Mit einer eigenen Ansprechpartnerin für den Bereich Theater Osnabrück Transkulturell sollen langfristige Partnerschaften und künstlerische Begegnungsformate am Theater Osnabrück aufgebaut werden, die die kulturelle Vielfalt der Stadt und seiner Menschen erlebbar machen. Ziel ist es, gemeinsam ein Theater für alle und von allen zu gestalten.
11:00 – 12:30 Uhr
Verabredungen und Perspektiven für ein transkulturelles Schultheater
Bündelung der Eindrücke aus den Praxis-Perspektiven. Initiativen und Verabredungen für ein transkulturelles Schultheater.
12:30 – 13:30 Uhr
Mittagessen in der BA
Abreise
Für diese Veranstaltung gilt nach dem Hygienekonzept der Bundesakademie momentan 2G+.
Für die Anreise am Sonntag braucht es somit einen tagesaktuellen Negativtest-Nachweis.
Sollte es Änderungen geben, informieren wir darüber hier.
Bei der ZAT 2022 geht es im Wechselspiel aus Praxis und Theorie um einen intensiven Austausch von Perspektiven für ein transkulturelles Schultheater sowie Verabredungen zu und Weiterentwicklung von glokalen Schultheaterprojekten, auch im Hinblick auf den 2022 stattfindenden BVTS-Kongress „SCHULTHEATER. GLOKALITÄT”. Herzlichen Dank allen Mitwirkenden dieser Tagung!
Besonderer Dank gilt Stefanie Westphal und Christian Krüger, die mit Tonio Kempf dieses Programm organisiert haben, und der großen Unterstützung durch die Bundesakademie Wolfenbüttel, insbesondere von Birte Werner bei den Vorplanungen und Marc-Oliver Krampe und Jörn Steinmann im Hinblick auf die konkrete Durchführung. Diese Tagung ist nur möglich durch die finanzielle Unterstützung durch die BAG Spiel & Theater e.V. aus Mitteln des BMFSF und des Kinder- und Jugendplans.
Gesellschaft und Politik