Leonore Havemann und Sophia Rosenkranz-Kalis
Eigenproduktion
Heinrich-von-Kleist-Schule Eschborn
Hessen
WPU DS 9. Klasse
Mitwirkende: 26 Schüler*innen
Spielleitung: Leonore Havemann und Sophia Rosenkranz-Kalis
„Das Theater geht weiter trotz Lockdowns“ war unser Motto, als der Präsenzunterricht nach einer ersten kurzen theatralen Erfahrung im schulischen DS-Präsenzunterricht digital fortgeführt werden musste.
Wir starteten im Schuljahr 2020/2021 mit einem DS Wahlpflichtkurs (WPU) einer 9. Klasse an der Heinrich-von-Kleist-Schule in Eschborn (HvK). Die HvK ist eine Kooperative Gesamtschule, so dass die WPU-Kurse in der 9. und 10. Klasse schulformübergreifend angeboten werden können. Unser DS-Kurs setzte sich aus 26 Schüler*innen zusammen, davon 23 Mädchen und 3 Jungen aus dem Realschul- und Gymnasialzweig, die sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten. Die meisten Schüler*innen hatten wenig bis keine Erfahrung mit Theater, waren jedoch sehr tanzfreudig und motiviert. Wir DS-Lehrerinnen hatten natürlich bereits Erfahrung mit Theater, dieses Projekt war jedoch unser erstes Projekt als Spielleiterinnen.
Wir begannen mit einem biografischen Ansatz nach Maike Plath (Plath 2009), bei dem die Erfahrungen der Schüler*innen während des ersten Lockdowns im Schuljahr 2019/2020 im Mittelpunkt standen. Schon in dieser Phase wurde die Bedeutung der sozialen Medien im Leben der Jugendlichen und speziell während des Lockdowns deutlich. Weiterführende Übungen, durch die eine erste Vermittlung von theatralen Grundlagen1Vermittelte theatrale Grundlagen: Mithilfe der Übung „Die Puppen tanzen lassen“ haben sich die Schüler*innen spielerisch verschiedenen Formationen, Tätigkeiten sowie ästhetischen Mitteln angenähert und diese in weiterführenden Übungen (beispielsweise Standbilder bauen oder kurze Szenen nachspielen) angewandt und vertieft. erfolgte, machte darüber hinaus ein großes Interesse an den Themen Freundschaft und Zugehörigkeit deutlich. Kurz bevor der zweite Lockdown2Dieser Lockdown dauerte von Dezember 2020 bis Mai 2021. begann, hatten sich die Schüler*innen in sieben thematischen Gruppen zusammengefunden, die sich aus den Übungen ergaben. In einem nächsten Schritt sollten – auf Grundlage des bis dahin in der Schatzkiste3Schatzkiste nach Plath 2009: Sämtliche Ergebnisse, die bei Übungen entstehen, werden in einer schönen Kiste für die Weiterarbeit aufbewahrt. Auf diese Weise wird ein Ideenfundus generiert, auf den während eines Projektverlaufs zurückgegriffen werden kann gesammelten Materials – Geschichten entwickelt werden. Diese entstanden jedoch – anders als anfänglich geplant – vollständig im Lockdown in Form von Videoaufnahmen. Aus unserem Bühnenstück, das mediale Elemente4Wir hatten ursprünglich geplant, eine Collage mit medialen Elementen auf der Bühne zu entwickeln, d.h. der Bühnenraum sollte mit Videoprojektionen erweitert werden, sodass Interaktionen zwischen Bildschirm und Bühne ermöglicht werden sollten. Die so veränderten Größenverhältnisse auf der Bühne schaffen eine Störung, die Flüchtigkeit des Theaters wird aufgehoben, Wiederholungen können einfach erzeugt werden – dies alles verändert die Wahrnehmung des Zuschauers durch eine Überfrachtung der Zeichen. beinhalten sollte, wurde somit ein rein digitales Produkt. Auch der Schnitt, der in unserer anfänglichen Planung immer mehr an die Schüler*innen abgegeben werden sollte, wurde ausschließlich von der Spielleitung übernommen. Auch wenn alles etwas anders kam als geplant, war für uns ganz klar, dass das Theater digital weitergehen sollte. Am Ende konnte ein kleiner Teil des Stücks „Appsolutely“ noch im Präsenzunterricht fertiggestellt werden. Da wir uns zu mehreren Theaterfestivals angemeldet hatten, um unseren Schüler*innen trotz Lockdowns so viel Theater wie möglich zu bieten, wurde die Zeit dann auf einmal ziemlich knapp, denn die erste Abgabe stand für das Hessisches Schultheatertreffen (HSTT) an. Der Zeitdruck, die letzten Aufnahmen am Set und die Aufregung vor der Fertigstellung des Endprodukts erinnerten an die letzte Phase und Generalprobe einer Bühneninszenierung. Neben der Teilnahme am HSTT, dem IDEA5International Drama/Theatre and Education Association und SDL6Schultheater der Länder hatten wir abschließend die Möglichkeit, unser Stück im September 2021 live in der Schulaula vor Familien und Freunden vorzustellen. Eingerahmt und begleitet wurde die Videopräsentation von der Moderation der Schüler*innen, den Abschluss bildete eine Live-Choreographie – das Live-Auftreten war für die Schüler*innen das Highlight des Abends. Dies hat verdeutlicht, dass es richtig war, das Theater in Zeiten der Pandemie digital am Leben zu erhalten, dass das digitale Theater jedoch keinesfalls das Spielen auf der Bühne ersetzen kann.
Unter den Bedingungen des Homeschoolings ist eine mediale Collage zum Thema rund um Social-Media entstanden. In sieben Gruppen haben die Schüler*innen verschiedene Phänomene aus ihrer medialen Welt behandelt – Catfish, Darknet, Influencer, Entfremdung, Photoshop, Filterblase und natürliche die unterschiedlichen Apps, mit denen sich die Schüler*innen tagtäglich mehrere Stunden auseinandersetzen. Die Apps haben ihre eigenen personifizierten Auftritte, geraten in Konflikte um Beliebtheitsgrad, Reichweite und Einzigartigkeit und konkurrieren um Likes. Die Perspektive der Jugendlichen legt den unterschiedlichen Gebrauch der Benutzung von Social Media generationsübergreifend offen: So wird Facebook mit einem Gehstock und etwas in die Jahre gekommen charakterisiert, TikTok ist dagegen schnell, interaktiv und lädt ein zum Mitbouncen. Die Geschichten sind in das Homeschooling eingebettet. Das Homeschooling selbst wird dabei persifliert – und zwar aus beiden Perspektiven, die der Lehrer*innen und die der Schüler*innen. Inhalt und Form fließen dabei ineinander über und bedingen sich gegenseitig. Auf diese Weise erzeugen sie nicht nur Komik, sondern auch Authentizität. Am Ende des Stücks ordnen die Schüler*innen ihren eigenen Medienkonsum ein, reflektieren diesen und unterstreichen mit ihren biografischen Aussagen zum Ende des Stücks die Bedeutsamkeit des Themas.
Diese Phase konnte glücklicherweise noch im Präsenzunterricht stattfinden. Im Mittelpunkt standen dabei: Kennenlernen, Schaffen von Vertrauen, Schaffen eines Wir-Gefühls, Etablieren eines Einstiegrituals, Einführen der Formationen und der ästhetischen Mittel durch die Übung „Die Puppen tanzen lassen“7Bei der Übung „Die Puppen tanzen lassen“ steht ein*e Spieler*in am Mikrofon und gibt der Gruppe, die währenddessen einen Raumlauf macht, Anweisungen zu Formationen und Tätigkeiten. Diese müssen als Gruppe so präzise wie möglich ausgeführt werden. „Die Anweisungen an der Station zu geben erfordert Konzentration und Kreativität, denn schnell wird klar, dass die Begriffsschilder auf unendlich viele Arten kombiniert werden können und dadurch sehr wirkungsvolle Bilder in der Gruppe entstehen. Den Jugendlichen macht es Spaß, auf diese Weise ‚die Puppen tanzen zu lassen‘ und ständig neue Bilder und Aktionen zu sehen, zu denen sie selbst den Impuls gegeben haben. Daher ist es auch wichtig, den Spieler an der Station häufig auszuwechseln, damit jeder mal in die Position ‚des Regisseurs‘ gerät.“ Plath 2009, S. 87. nach Plath, Einführen der Kompositionsmethoden, das Entwickeln von Standbildern und kleinen Szenen sowie das Einführen des Feedbacks als fester Bestandteil des Arbeitsprozesses.
Bereits die erste Phase, nämlich das Schaffen eines Wir-Gefühls, wurde durch die Anonymität des Masketragens sowie die eingeschränkten Übungsmöglichkeiten unter Wahrung der Abstand- und Hygieneregeln erschwert. Wir hatten das Gefühl, dass der Kurs erst in Phase 3 und der Rückkehr zum Präsenzunterricht richtig zu einem Ensemble zusammenwachsen konnte.
Die Idee für eine Collage zum Thema Social Media und Beziehungen war noch rechtzeitig in den drei Monaten vor dem Lockdown entstanden. Die Schüler*innen hatten sich in sieben Gruppen zusammengefunden und nun ging es um die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Geschichten zu unterschiedlichen Aspekten der medialen Welt – Apps, Darknet, Filterblase, Influencer, Entfremdung, Catfish und mediale Challenges waren unsere Arbeitstitel. Die Texte der Geschichten setzten sich aus den erdachten Dialogen der Schüler*innen sowie Sekundärtexten zum jeweiligen Thema zusammen. Die Sekundärtexte ermöglichten den Schüler*innen eine vertiefte Auseinandersetzung mit ihrem Thema und bewahrten die gesamte Collage vor einer oberflächlichen Darstellung der Thematik. Bei der Auswahl der Musik war es aus datenschutzrechtlichen Gründen notwendig, lizenzfreie Musik zu verwenden, weshalb wir die Schüler*innen bei Recherche und Auswahl unterstützten.
Der DS-Unterricht und das Generieren des Materials fanden ausschließlich digital mit der technischen und räumlichen Ausstattung der Schüler*innen statt: Laptop, Tablet, Handykamera, Maske, Requisiten und Bühne im eigenen Schlafzimmer. Vorgaben mussten auf ein Minimum reduziert werden, zum Beispiel das Filmen vor einer weißen Wand sowie eine einheitliche Formatvorgabe. Hierfür war es erforderlich, den Schüler*innen grundlegende Kenntnisse zum Thema Filmen und Schnitt zu vermitteln. Die Schüler*innen haben dabei die unterschiedlichen Kameraeinstellungen – Detail, Groß, Nah, Halbnah, Amerikanisch, Halbtotale, Totale, Weit – sowie Kameraperspektiven – Froschperspektive, Normalsicht, Vogelperspektive – kennengelernt und mussten diese in verschiedenen Aufnahmen erproben.
Um die Ergebnisse der einzelnen Gruppen zu strukturieren und einen Überblick zu behalten, war es notwendig, dass die Schüler*innen in ihren Gruppen ein Filmkonzept zu ihrer Geschichte erarbeiteten, was im Laufe des Projekts kontinuierlich erweitert wurde.
Diese letzte Phase konnte aufgrund des Lockdown-Endes nach ca. sechs Monaten anteilig im Präsenzunterricht stattfinden. In dieser Phase hatten die Schüler*innen das erste Mal die Möglichkeit, das gesamte bis zu diesem Zeitpunkt generierte digitale Material zu sichten, die Geschichten der anderen Gruppe in Bild und nicht nur als Idee kennenzulernen. Im Rahmen der genehmigten Theatertage konnten die Schüler*innen die noch fehlenden Szenen mittels Greenscreen aufnehmen und unser gemeinschaftliches Projekt vervollständigen. In diesen zwei Tagen wurde also nicht wie üblich geprobt und an Details der Aufführung gefeilt, die Stimmung war jedoch vergleichbar mit der vor einer Aufführung: Außer dem Üben und Filmen stand noch das Schneiden an. Die Zeit war knapp, die Vorfreude groß und wie bei jeder Generalprobe ging einiges schief. Hier wurden die Tücken der Technik besonders deutlich: Dateien fehlten, diese waren zum Teil nicht richtig benannt, die Schüler*innen hatten vergessen, wichtige Szenen aufzunehmen, die Handyspeicher waren voll, die Akkus waren leer usw.
Die Teilnahme am SDL und somit das einwöchentliche Abtauchen in die Welt des digitalen Theaters, bei dem die Schüler*innen andere Werke kennenlernen konnten und ein Feedback zu ihrem digitalen Stück erhalten haben, hat wesentlich zur Schaffung eines Wir-Gefühls beigetragen. Eine Vorführung vor Live-Publikum konnte auch das nicht ersetzen, das Theater wurde für die Schüler*innen auf diese Weise jedoch erfahrbarer gemacht – auch wenn hier eine Mischung aus Kino und Theater vorherrschte. Wir konnten beobachten, wie sie plötzlich stolz auf das waren, was sie geschaffen hatten. Bis dahin war dieses Gefühl – aufgrund des ausbleibenden unmittelbaren Feedbacks durch den Applaus nach einer Aufführung – noch nicht entstanden. Hinzu kam die fehlende Theatererfahrung der Schüler*innen, die sie zweifeln ließ, ob das Endprodukt denn nun gelungen war oder nicht.
Eine große Herausforderung war die Erzeugung von Videos, die dennoch einen Theater-Charakter haben, schließlich sind die Sehgewohnheiten der Schüler*innen heutzutage von Kino, TV und Internetvideo geprägt. Das Theater hat sich nach einer zunehmenden Mediatisierung in Abgrenzung zu diesen Medien definiert und weiterentwickelt. Es fand eine Abkehr von den naturalistischen Darstellungen im Theater statt, da das Theater bei der Nachahmung der Realität nicht mit den technischen und visuellen Möglichkeiten des Films konkurrieren konnte. Eine Besinnung auf die eigenen Stärken führte zur Entwicklung einer sogenannten postdramatischen Dramaturgie, die die Stärken und Wirkungskraft des Theaters herausstellten. Ab den 1960er Jahren fanden im Zuge der intermedialen Performances zudem digitale Medien ihren Einzug ins Theater und sind heute aus dem professionellen Theater kaum noch wegzudenken. Ihr Einsatz entspricht jedoch nicht den Sehgewohnheiten der Schüler*innen, sondern schafft eher (postdramatische) Distanz, indem zum Beispiel Nahaufnahmen etwas vergrößern, was sonst auf der Bühne nicht zu sehen gewesen wäre. Dieser Einsatz stellt jedoch gleichzeitig eine Verzerrung dar, weil Großaufnahmen beispielsweise die Größenverhältnisse auf der Bühne in einer für das Auge untypischen Art und Weise anordnen. Die Sehgewohnheiten der Schüler*innen entsprechen jedoch eher dem nachgespielten Alltag in Reality-Serien wie „Berlin Tag und Nacht“, was sich dann in den produzierten Videos widerspiegelte. Hier genau lag unsere Herausforderung, denn die Schüler*innen mussten trotz einer geringen Erfahrung mit Theater das Medium Film neu entdecken, da es darum ging, theatrale Handlungen zu filmen und nicht die nachmittäglichen Soaps nachzuspielen. Genaue Arbeitsaufträge sowie die Berücksichtigung der erlernten theaterästhetischen Mittel waren erforderlich, um dem entgegenzuwirken und mit gelungenen Videoproduktionen diese Sehgewohnheiten zu brechen.
In dieser Hinsicht muss man zusätzlich berücksichtigen, dass gerade das Sich-selbst-Filmen bzw. die Selbstdarstellung via Video ein fester Bestandteil im Leben der Schüler*innen ist. Sich selbst zu filmen und darzustellen im privaten Raum gehört für die meisten Schüler*innen zum Alltag – jedoch war ein unmittelbares Erleben der Reaktionen auf die Eigenproduktion für viele mit Scham besetzt. Das Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre war hierbei besonders wichtig, um den Schüler*innen Sicherheit zu geben. Trotz allem sind sie uns Spielleiterinnen im Bereich der Selbstdarstellung an Erfahrungen weit voraus.
Diese Erfahrung machten wir sehr deutlich bei einem Kampf um das Hochformat. Wir hatten in einem Lehrgang zum Filmschnitt die Wichtigkeit von im Querformat gedrehten Videos erlernt und bestanden folglich darauf, dass die Schüler*innen im Querformat filmten. Immer wieder wurden uns jedoch Videos im Hochformat zugesandt, die uns inhaltlich und filmisch gut gefielen, die wir jedoch vorerst nicht adäquat schneiden konnten und somit als unbrauchbar erachteten. Je mehr unser Projekt jedoch an Form gewann, sahen wir ein, dass die Schüler*innen Recht hatten und gewisse Szenen im Hochformat gedreht werden mussten, um glaubwürdig zu sein. Gemeint sind damit vor allem die Szenen, in denen es um die Darstellung der Sozialen Medien geht. Dort dreht niemand im Querformat, weil jeder sein Handy im Hochformat in der Hand hält – während der Fernseher im Querformat an der Wand hängt. Die fehlende Wirkung dieser Szenen im Querformat wurde uns zunehmend beim Schneiden klar, so dass sich das Hochformat klar durchsetzte. Damit begann das zweite Problem …
Anders als das Proben und Wiederholen auf der Bühne, die den theatralen Moment der Flüchtigkeit besitzen, haben gefilmte Szenen einen bleibenden Charakter. Im Vergleich zu den Proben auf der Bühne, die als solche wahrgenommen werden, wird ein gedrehtes Video als Endprodukt wahrgenommen, das in sich stimmig ist. Die Schüler*innen haben bereits viel Zeit in das Drehen und Aufbereiten des Videos investiert, für sie ist es ein funktionierender Teil ihrer Geschichte, die nur so Sinn ergibt. Es fiel den Schüler*innen daher zunehmend schwerer zu akzeptieren, dass das von ihnen generierte Filmmaterial immer wieder gekürzt wurde. Klar ist auch, dass durch jede Kürzung auch eine inhaltliche Veränderung vorgenommen wird, so dass die Schüler*innen anfangs häufig das Gefühl hatten, wir würden ihre Geschichten verändern. Dies war wiederum ihren medialen naturalistischen Sehgewohnheiten geschuldet, die ein lineares Erzählen, eine mimetische Illusionsbildung und eine Figuration verfolgen. Der Charakter der Fragmentierung bzw. freien Montage einer Collage, der Abstraktion und Auflösung der Rollen musste den Schüler*innen noch zugänglich gemacht werden. Die Frage war nur, wie dies im Distanzunterricht vermittelt werden konnte. Wir hatten eine Idee, die zum Highlight bzw. Durchbruch wurde …
Wir haben uns kurzerhand dazu entschlossen, für unsere Schüler*innen ein Video über die Lehrer*innen im Homeschooling zu drehen, um ihnen zu verdeutlichen, was wir von ihnen beim heimischen Filmen erwarteten. Dies war der Durchbruch, denn die Tatsache, dass wir uns selbst vor die Kamera gestellt haben, hat Vertrauen geschafft. Ab dann haben sich die Schüler*innen getraut, theatral mit der Kamera zu experimentieren – das Video der Lehrerinnen und Schüler*innen im Homeschooling wurde letzten Endes die erste Szene in unserer Collage „Appsolutely“. Diese Szene bildet den Einstieg in unsere neue digitale Realität in Zeiten des Lockdowns. Darauf folgen die sechs Geschichten rund um mediale Phänomene sowie Zwischenszenen, in denen die Apps sich verselbstständigen.
Durch das von uns Spielleiterinnen erstellte Video konnten wird verdeutlichen, wie theatrale Elemente durch das Spiel mit Einstellungen und Perspektiven sowie durch Schnitttechniken und ‑geschwindigkeit umgesetzt werden konnten: Wir spielten nicht uns selbst, aber authentische Lehrerfiguren, die die Schüler*innen klar wiedererkennen konnten. Mit wenigen Requisiten, wie einem Hintergrund, einer Sonnenbrille oder einem Stift im Haar, wurden authentische oder aussagekräftige Bilder erzeugt. Anders als auf der Bühne stand weniger der Körper im Mittelpunkt, sondern die Mimik, über die teilweise mehr vermittelt werden kann, als durch das gesprochene Wort. Durch die Schnitttechnik konnten theatrale Mittel – wie Freeze, Mickey Mousing, Zeitraffer und Zeitdehnung – und Kompositionsmethoden – wie Wiederholung, Steigerung, Bruch – in das Medium Film eingebunden werden. Die Schüler*innen, die immer wieder betonten, sie hätten DS gewählt, weil sie spielen wollten, entwickelten nun Spaß am Spielen vor der Kamera und wir erhielten immer mehr digitales Material. Damit begann unser größtes Problem, nämlich das sichere Teilen des Materials …
Hier setzte nun unser größtes Problem ein, nämlich das Fehlen einer Plattform, auf der das Videomaterial datenschutzkonform gespeichert und für alle sichtbar gemacht werden konnte, ohne dass die Möglichkeit bestand, das Material herunterzuladen, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Unser Video über die Lehrer*innen im Homeschooling haben wir den Schüler*innen im digitalen Unterricht durch Teilen des Bildschirms gezeigt, dies konnte jedoch nicht mit dem Filmmaterial der Schüler*innen geschehen, so dass es nicht möglich war, den Schüler*innen das gesamte Filmmaterial sichtbar zu machen. Die Schüler*innen kannten somit immer nur das Filmmaterial ihrer Gruppe. Den Gesamtüberblick über das Material und die entstehende Collage hatten jedoch nur die Spielleiterinnen. Für uns bedeutete dies auch über 40 Stunden, die wir in den Schnitt investierten. Am Ende hatten wir jedoch Glück und das Ende des Schuljahres konnte dann doch wieder im Präsenzunterricht stattfinden. Somit kam es zu einem weiteren Highlight, nämlich einer Projektwoche zur Finalisierung unseres digitalen Stücks …
Die Schüler*innen haben die bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitete Collage mit dem Material aus dem Homeschooling erst in der ersten Woche des Präsenzunterrichts zusammenhängend gesehen. Dann begann der Feinschliff, an dem alle gemeinsam mitgewirkt haben. Ab da nahm die Arbeit auch deutlich an Geschwindigkeit zu, denn nun hatten alle das Endprodukt vor Augen. In zusätzlichen Projekttagen wurden Zwischenszenen, der Abspann und Korrekturen einzelner Szenen gefilmt. Dieses Mal konnten wir auch auf professionelles Equipment zurückgreifen, denn wir hatten eine professionelle Kamera gewonnen und über die Schule einen Greenscreen mit Beleuchtung anschaffen können. Aufgrund der knapp werdenden Zeit blieb der finale Schnitt dann aber doch wieder in der Hand der Spielleiter*innen. Das Vorstellungsvideo und die Videos während des SDL wurden später jedoch vollständig von den Schüler*innen produziert und geschnitten. Die Schüler*innen arbeiteten eigenständig mit theaterästhetischen Mitteln, bauten beim Schnitt Wiederholungen, Steigerungen und Kontrastierungen selbstverständlich ein und schafften es sogar mithilfe von Projektionen, analoges und digitales Spiel miteinander zu verschmelzen und als digitales Endprodukt aufzubereiten. Hier wurde für uns deutlich, dass die Schüler*innen trotz des langen Homeschoolings und einer ausschließlichen digitalen Heranführung an das Theater ein Gefühl für digitales Theater gewonnen hatten und die klare Trennung zum Film und Fernsehen erreicht war.
Wohnhaft in Frankfurt; Lehrerin an der Heinrich-von-Kleist-Schule in Eschborn (kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe) für die Fächer Darstellendes Spiel, Deutsch und Ethik; 2016: Erste Staatsprüfung in den Fächern Deutsch und Ethik; 2021: Erweiterungsprüfung im Unterrichtsfach Darstellendes Spiel; 2014–2017: während des Studiums Leitung kreativer Medienproduktionen für Kinder und Jugendliche an Schulen und sozialen Einrichtungen.
Ist als gebürtige Deutsche in Mexiko aufgewachsen, wo sie ihr Abitur erwarb, lernte im Anschluss während des Lehramtsstudiums und Referendariats das Bildungssystem von drei Bundesländern kennen (Niedersachen, Baden-Württemberg, Hessen). Studium des Gymnasiallehramt in den Fächern Deutsch und Politik/ Wirtschaft (Technische Universität Braunschweig), Spanisch (Georg-August-Universität Göttingen) und Darstellendes Spiel als Erweiterungsfach (Hessische Lehrkräfteakademie). Unterrichtet seit 2010 an der Heinrich-von-Kleist-Schule in Eschborn.