SCHUL.THEATER

Fokus

SDL 2023: Rezensionen 

von Ina Drie­mel, Lukas Gün­ther, Micha­el Aust

Im Sep­tem­ber 2023 fand der Bun­des­wett­be­werb Schul­thea­ter der Län­der end­lich wie­der in Prä­senz statt. Gast­ge­ber­land Rein­land-Pfalz hat auf den Fes­ti­val-Cam­pus nach Trier ein­ge­la­den und alle waren sie da: etwa 300 Schüler:innen der 18 aus­ge­wähl­ten Spiel­grup­pen aus 16 Bun­des­län­dern, ihre Spiel­lei­tun­gen, Lehr­kräf­te und Betreu­en­den, eine deutsch-fran­zö­si­sche Artis­tic Rese­arch-Grup­pe, die Organisator:innen, Moderator:innen, das Fach­pu­bli­kum und Fach­ver­bän­de, die Poli­tik und loka­le Gäs­te. Alle waren sie da, vor Ort, in der römisch ange­hauch­ten Alt­stadt in der Nähe der fran­zö­si­schen Gren­ze, in drei Spiel­stät­ten, dem Thea­ter Trier, der Euro­pa­hal­le und der Aula der Berufs­schu­le für Wirt­schaft, bei Work­shops und Nach­ge­sprä­chen. Gemein­sam sahen, spiel­ten, wert­schätz­ten und dis­ku­tier­ten sie (über) Thea­ter. Mal war es lus­tig, mal trau­rig, mal ernst. Mal war es kurz, mal lang, mal laut, mal lei­se. Ein ande­res Mal hek­tisch, dann wie­der ruhig. Eine wah­re Band­brei­te an Schultheater.

Nachdenken über Rolle(n): Lasst mich den Löwen auch spielen

Das Fokus-The­ma des SDL 2023 lau­te­te: Schultheater.Rollen. Die­se The­men­set­zung mag auf den ers­ten Blick irri­tie­ren. Rol­le? Was genau ist damit gemeint? A spielt B, wäh­rend C zuschaut – lau­tet hier eine gän­gi­ge tra­dier­te Defi­ni­ti­on von (Literatur-)Theater. Der Rol­len-Begriff bezeich­net in die­sem Fall den „Hand­lungs- und Sprech­an­teil einer Figur in einem Dra­ma“ (Weilert/Roselt 2017: 174). Der:die Schauspieler:in spielt also eine Rol­le, was zugleich auch einen Pro­zess der Ver­wand­lung oder auch Ver­kör­pe­rung fasst, die Dar­stel­lung von “Ich als jemand Ande­res” (vgl. Hent­schel 2004). Dar­an anknüp­fend kann auch der Wunsch nach “eine Rol­le spie­len (wol­len)” ver­stan­den wer­den, dem im Kon­text von Schul­thea­ter eine gro­ße Bedeu­tung zukommt. André Studt spricht im The­men­heft “Rol­le” der Zeit­schrift Schul­thea­ter in die­sem Zusam­men­hang von “Rol­le als Distanz­me­di­um” (Studt 2013: 6) und wei­ter: von Thea­ter­ar­beit als Such- bzw. Pen­del­be­we­gung “zwi­schen sich selbst und einer ima­gi­nier­ten Figur – und damit zwi­schen Rea­li­tät und Fik­ti­on, zwi­schen Abs­trak­tem und Kon­kre­tem” (ebd.) Dies schließt auch jene Thea­ter­for­men ein, die mehr mit For­men des Selbst­aus­drucks spie­len. Auch hier ste­hen die Dar­stel­len­den nie als sie selbst auf der Bühne.

Im Sin­ne eines je eige­nen Zugriffs auf das Fes­ti­val-The­ma zei­gen auch die ein­ge­la­de­nen Pro­duk­tio­nen eine sol­che Such­be­we­gung: ver­han­delt wur­den sozia­le Rol­len und damit ein­her­ge­hen­de eige­ne und frem­de Erwar­tun­gen, das Auf­wach­sen jun­ger Men­schen in unse­rer kom­ple­xen, von Kri­sen gezeich­ne­ten Gesell­schaft, die Rol­len von Jugend in Schu­le, Frei­zeit und sozia­len Medi­en. In eige­nen Tex­ten posi­tio­nier­ten sich die Grup­pen zu glo­ba­len, poli­ti­schen, aber auch zu sehr per­sön­li­chen The­men unse­rer Zeit, zu Ras­sis­mus, Sexis­mus, Gen­der, Trans­kul­tu­ra­li­tät und Kli­ma­kri­se. Auch nutz­ten sie Vor­la­gen wie klas­si­sche Dra­men, Kurz­ge­schich­ten und post­dra­ma­ti­sche Text­flä­chen, unter­such­ten die­se auf inhä­ren­te Rol­len­kli­schees, adap­tier­ten und kom­men­tier­ten, bra­chen und über­spitz­ten sie. Es gab Sprech­thea­ter mit ein­drück­li­chen Kos­tü­men und Szen­o­gra­phien, Tanz‑, Bewe­gungs- und Sprech­chö­re, Musik und Gesang vom Band und von Bands. Die Schüler:innen waren in unter­schied­li­chen Rol­len auf der Büh­ne zu sehen oder anders for­mu­liert: sie haben Rol­len ver­kör­pert und sind dar­über hin­aus­ge­gan­gen, indem sie als Performer:innen in Erschei­nung getre­ten und damit ande­ren Kon­struk­ti­ons­prin­zi­pi­en gefolgt sind: Hier­zu gehört unter ande­rem das zei­gen, also A spielt nicht mehr B, son­dern zeigt sich als A – im Sin­ne einer Selbst­in­sze­nie­rung – oder auch indem Erwar­tun­gen an die Reprä­sen­ta­ti­on einer Figur (auf-)gebrochen wur­den. Dabei war vie­len der ein­ge­la­de­nen Stü­cke eine Suche und ein Rin­gen um/nach Hal­tung anzu­mer­ken in dem Sin­ne, dass sich die Spieler:innen zum The­ma Rol­le ver­hal­ten und sie sich dabei zur Dis­kus­si­on gestellt haben. So waren Hal­tun­gen von Figu­ren auf der Büh­ne zu sehen, oder die Hal­tung der Spieler:innen gegen­über ihren Figuren/Rollen. Und viel­leicht wur­de sich ein Stück weit auch der Erwar­tungs­hal­tung an Jugend/theater ver­wei­gert, gesell­schafts­po­li­ti­sche The­men (kri­tisch) zu ver­han­deln und dabei eine “kla­re Hal­tung” zu beziehen.

Wohl­wis­send, dass eine Insze­nie­rung unter­schied­li­che Les­ar­ten her­vor­bringt, so sind auch die nach­fol­gen­den Rezen­sio­nen stets als je eige­ne, indi­vi­du­el­le Per­spek­ti­ven zu ver­ste­hen. Eben­so ist auch die Struk­tu­rie­rung, die wir hin­sicht­lich des Fes­ti­val-The­mas vor­ge­nom­men haben, das Ergeb­nis unse­rer je eige­nen Les­art der Stü­cke – ganz im Sin­ne eines kon­tin­gen­ten Den­kens al la Niklas Luh­mann: alles ist auch anders möglich.

SDL 2023: Literarische ROLLEN 

Da, wer Rol­le hört, in den meis­ten Fäl­len Dra­men­text asso­zi­iert, geht der ers­te Blick auf die­se Rol­len und stellt die Fra­ge, wel­che Zugangs­mög­lich­kei­ten Rol­len eröffnen …

SDL 2023: ROLLEN-Word-Spiele 

Eine Pro­duk­ti­on warf einen humor­vol­len Blick auf das vom SDL gesetz­te The­ma. Was kann alles rol­len? Die­se Fra­ge scheint wohl zu Beginn der gemein­sa­men Arbeit der Ham­bur­ger Spiel­grup­pe gestan­den haben. Denn hier roll­te so einiges …

SDL 2023: GesellschaftsROLLEN 

Zwi­schen vor­an­schrei­ten­der Digi­ta­li­sie­rung, ver­schie­dens­ten Kri­sen, (All­­tags-) Ras­sis­mus, Fake News und einer Ver­schie­bung des poli­ti­schen Spek­trums ist die eige­ne Posi­tio­nie­rung inner­halb unse­rer Gesell­schaft lan­ge nicht mehr so kom­plex gewesen …

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