Ein mehrsprachiges Ensemble aus Baden-Württemberg und Frankreich bringt im Großen Haus in Braunschweig eine Geschichte auf die Bühne, die nicht verblassen darf. Unter dem Titel „Und plötzlich war sie unerwünscht“ zeigt die 20-köpfige Gruppe des Theaterlabors Sigmaringen - Vichy, bestehend aus Schüler:innen des Hohenzollern-Gymnasiums Sigmaringen und dem Collège Saint Joseph, eine eindringliche Inszenierung. Spielleitung: Fabrice Dubusset und Annemarie Kastelsky, unterstützt von Stefanie Bisinger und Carole Zacharie.
Ein schwarzer Vorhang, eine leere Bühne und dann beginnt eine multilinguale Stadtführung durch Sigmaringen. Sie endet vor einem Stolperstein von Lisa Frank und der Frage: "Wer ist Lisa Frank? Was geschah hier?"  Von dort reist das Ensemble in die Vergangenheit, in die Zeit, als Lisa Frank und ihre Familie lebten, gegrüßt wurden und schließlich gemieden, markiert und entmenschlicht. Mit einfachsten Mitteln zeichnet die Inszenierung diese negative Steigerung nach: Aus Alltäglichkeit wird Ausgrenzung, aus Namen werden Kategorien „die Juden“. Einer der vielen Gänsehautmomente entsteht, als aus der Pulk-Formation, die die Franks ausgrenzt, das geflüsterte Wort „Jude“ erklingt.
Anschließend formt das Ensemble in klaren Formationen eine „Gedankenmaschine“, die auf verschiedenen Ebenen arbeitet. So verdichten sich mögliche innere Stimmen von Lisa: „Warum ich?“, „Angst“, „Einsam“, „Ausgegrenzt“, „Weggeekelt“, „Geplatzte Träume“, „Parasit“. Marionettenhafte Bewegungen und das Laufen gegen eine imaginäre Wand werden zu starken Sinnbildern für das allmähliche Verschwinden von Handlungsspielraum.
Die Inszenierung baut eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Fragen aus der Geschichte „Wie muss es sein, in Angst und Schrecken zu leben?“ „Wie war es für Lisa Frank?“ führen direkt in das Heute. In starken Bildern bringen die Spielenden wörtliche Zitate aus Zeitungen zu Antisemitismusvorfällen von 2012 bis zum 16. Januar 2025 auf die Bühne: der Anschlag in Halle, der Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm, der AfD-Parteitag um die Debatten der „Remigration“. Synchrones Zeitungslesen und -blättern erfüllt den Raum, Schlagzeilen schneiden durch die Stille. Über allem liegt eine bemerkenswerte Ruhe, aus der die Szenen ihre Wucht beziehen: Spannung durch Präzision. Nach einem stillen letzten Bild und der offen formulierten Frage „Nie wieder?“ folgt eine kurze Denkpause – dann Standing Ovations.
Die Aufführung lebt von chorischen Sprechen,  den neun gesprochenen Sprachen, Synchronität, Singen, Pulk-Bilder, präzises Marschieren und einem bewussten Raumlauf. Mit minimalen Requisiten – Zeitungen und Stühle – entstehen starke Bilder, die berühren und bedrücken, ohne erhobenen Zeigefinger. Besonders hervorzuheben ist die Kostümwahl: in gedeckten Farben gehaltene Blazer, Bleistiftröcke, Anzüge, Westen, hohe Schuhe – eine stimmige Einheit, die das Publikum in die Vergangenheit versetzt.
Das Ensemble zeigt Haltung: energiereich, durchdacht, verantwortungsvoll. Sie geben einer zum Schweigen gebrachten Person ihre Stimme zurück – gegen das Vergessen, für die Erinnerung. Diese Inszenierung hinterlässt einen bleibenden Eindruck: starke Stimmen, starke Bilder, ein Auftritt, der ohne Lautstärke laut wird. Theater als Erinnerungskunst und als Appell für die Gegenwart.
Geschrieben von: Kira Rode und Lena Leuendorf (Studierende der Europa-Universität Flensburg)
Einfache Zusammenfassung:
Im Staatstheater Braunschweig spielt eine Gruppe junger Menschen aus Baden-Württemberg und Frankreich das Stück „Nie wieder?! – Und plötzlich war sie unerwünscht“. 
Es erzählt die Geschichte von Lisa Frank, einer jüdischen Frau aus Sigmaringen. 
Früher gehörte sie dazu. 
Dann wurde sie ausgegrenzt und schlecht behandelt.
Die Spieler:innen zeigen mit wenigen Dingen, Stühlen und Zeitungen, sehr starke Bilder. 
Sie erinnern auch an heutige Fälle von Antisemitismus. 
Antisemitismus ist, wenn Menschen Juden nur wegen ihrer Religion schlechter behandeln oder hassen.
Am Ende steht die Frage: „Nie wieder?".
Das Stück sagt: Erinnern ist wichtig. Niemand soll ausgeschlossen werden.