Pustekuchen!

Das bundesweite Projekt „THEATER GOES DIGITAL – Medienkompetenz für junge Künstler*innen“

Stefan B. Antczack
Stefan B. Antczack 

Thea­ter­päd­ago­ge ( BuT®), Kunst­päd­ago­ge und His­to­ri­ker, Fach­kraft für Sucht­prä­ven­ti­on und
sozi­al­psy­cha­tri­scher Bezugsbegleiter.

Stefan B. Antczack
Stefan B. Antczack 

Thea­ter­päd­ago­ge ( BuT®), Kunst­päd­ago­ge und His­to­ri­ker, Fach­kraft für Sucht­prä­ven­ti­on und
sozi­al­psy­cha­tri­scher Bezugsbegleiter.

Die­ser Bei­trag gehört zum Digi­tal­teil der Zeit­schrift für Thea­ter­päd­ago­gik, Aus­ga­be 78. 

Not macht erfin­de­risch. Die Aus­gangs­sper­ren, die mit Schul­schlie­ßun­gen im Zuge der Ein­däm­mungs­ver­ord­nun­gen zur Coro­na-Pan­de­mie ein­her­gin­gen, waren und sind für Kin­der und Jugend­li­che (KuJ) eine außer­or­dent­li­che Her­aus­for­de­rung. Was Kul­tur­re­vo­lu­tio­nä­re über Jahr­zehn­te for­der­ten, näm­lich die Pro­ble­ma­ti­sie­rung und Aus­schal­tung von Schu­le als insti­tu­tio­na­li­sier­ter Lern­be­hin­de­rung 1(vgl. Holz­kamp 1993, Sin­ger 1973, vgl. Illich 1972 +1970), die Pan­de­mie mach­te es amt­lich. Schu­len wur­den geschlos­sen, die Rede war und ist von „Digi­ta­li­sie­rung der Schu­len“ und von „Distanz­un­ter­richt“. Letz­te­rer meint weni­ger das Trai­ning von Abstand, der im quir­li­gen All­tag schwer ein­zu­hal­ten ist und wirk­lich geübt wer­den soll­te, son­dern Unter­richt, der über gro­ße Stre­cken rea­li­siert wird. Ler­nen fin­det außer­schu­lisch im „Home­schoo­ling“ statt.

Die Idee für das Pro­jekt „THEATER GOES DIGITAL – Medi­en­kom­pe­tenz für jun­ge Künstler*innen“ ent­stand im Som­mer, jener Zeit, in der Begeg­nung und Bewe­gung im beschränk­ten Rah­men wie­der mög­lich schien. In Ber­lin traf sich „mit Abstand“ eine Grup­pe zum Stamm­tisch der Theaterpädagog*innen am Thea­ter­haus (auf der Wie­se). Die Kolleg*innen scharr­ten mit den Füßen, end­lich wie­der aktiv zu wer­den. Sie nutz­ten den Auf­ruf des Bun­des­ver­ban­des Thea­ter­päd­ago­gik e.V. zu ver­stärk­ten Akti­vi­tä­ten für eine Kom­pen­sa­ti­on der Pan­de­mie-beding­ten Aus­fäl­le im Bereich Kul­tu­rel­ler Bil­dung. Sie mobi­li­sier­ten flugs Kolleg*innen, die in über­re­gio­na­ler Reich­wei­te arbei­te­ten. Es fan­den sich vier KuJ-Grup­pen aus drei Bun­des­län­dern, die sich mit Teil­pro­jek­ten zu einem grö­ße­ren Pro­jekt zusam­men­schlos­sen. Die digi­ta­le und viel­fäl­tig media­le Welt soll­te genutzt wer­den, so die Ideen­skiz­ze, „als Berei­che­rung für die thea­ter­päd­ago­gi­sche Arbeit“. Erforscht wer­den soll­te „was mög­lich ist, wenn die digitale/mediale Welt – und die Thea­ter­welt sich begeg­nen und gegen­sei­tig bestär­ken.“ (Zim­mer)

Unter dem Dach des Bun­des­ver­ban­des Thea­ter­päd­ago­gik e.V. ent­stand eine Zusam­men­ar­beit von aus­ge­spro­chen hete­ro­ge­nen Kooperationspartner*innen. Da ist die „tan­dem BTL gGmbH“ mit einer För­der­schu­le in Ber­lin-Wit­ten­au (Bezirk Rei­ni­cken­dorf), der evan­ge­li­sche Kir­chen­kreis Ber­lin Fried­richs­hain-Süd (Bezirk Fried­richs­hain-Kreuz­berg), das Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus „Haus Stein­stra­ße e.V.“ in der Leip­zi­ger Süd­stadt, sowie einer Grup­pe aus Ber­nau und Ebers­wal­de, die aus einem Pro­jekt mit dem Huma­nis­ti­schen Ver­band Deutsch­land (HVD) her­vor­ging. Eini­ge Trä­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen sorg­ten durch Frei­stel­lung ihrer Mitarbeiter*innen für die erfor­der­li­chen Eigen­an­tei­le. In der Umset­zung soll­ten bei allen Grup­pen All­tags­the­men den Stoff für das sze­ni­sche Mate­ri­al lie­fern. Metho­disch soll­ten digi­ta­le und media­le Mög­lich­kei­ten wie zoom, Tik Tok, Snap­chat, Video­tech­nik mit Ele­men­ten des Thea­ters in Ver­bin­dung gebracht wer­den. Die Lauf­zeit ging von Okto­ber bis Dezem­ber 2020.

Die Grup­pe in Leip­zig kon­sti­tu­ier­te sich aus dem Impro­vi­sa­ti­ons­thea­ter­kol­lek­tiv „All-Inclu­si­ve“, das im „Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus Stein­stra­ße“ probt. Sie nann­ten ihr Pro­jekt „Digi­ta­les Sofa-Thea­ter“. 4 bis 12 KuJ im Alter zwi­schen 11 und 25 Jah­ren tra­fen sich von Novem­ber bis Dezem­ber sie­ben Mal auf dem häus­li­chen Sofa zum digi­ta­len Zoom-Mee­ting. Gestal­tungs­ele­men­te waren bio­gra­fi­sche Geschich­ten, Spie­le des Impro-Thea­ters, sowie Grund­sät­ze der „Gewalt­frei­en Kom­mu­ni­ka­ti­on“: „herz­er­wär­mend, über­ra­schend, manch­mal kon­fron­tie­rend und immer ver­bin­dend“ (Rich­ter, in: Zim­mer). Ein Kind warb wei­te­re Kin­der aus der Leip­zi­ger Nach­bar­schafts­schu­le. Nach einer „Ein­check­run­de“ wur­de von Bedürf­nis­sen und Gefüh­len gespro­chen. „Was macht die räum­li­che Distanz mit mir? Wie lan­ge kann ich empa­thisch zuhö­ren ohne die Chat­funk­ti­on im Hin­ter­grund zu öff­nen?“ (ebd.) Tech­nisch wur­den Bild­hin­ter­grün­de und digi­ta­le Mas­ken erprobt.

In Ber­lin Wit­ten­au nann­te sich das Pro­jekt „#Digi­Ju­gend“. Die geplan­te Pro­jekt­wo­che muss­te auf­grund der all­ge­mei­nen Restrik­tio­nen abge­sagt wer­den. Statt­des­sen wur­de mit 4 bis 7 Jugend­li­chen aus der Grup­pe zur „Ergän­zen­den För­de­rung und Betreu­ung“ des För­der­zen­trums der Schu­le am Park (tan­dem gGmbH) in der Nach­mit­tags­be­treu­ung gear­bei­tet. „Vie­le Akti­vi­tä­ten konn­ten durch die Pan­de­mie nicht aus­ge­führt wer­den. Die Jugend­li­chen nah­men das Pro­jekt umso dank­ba­rer und moti­viert an. Es herrsch­te über­wie­gend eine gute Stim­mung und ein wohl­wol­len­des Gemein­schafts­ge­fühl.“ (Alt­fel­de, Strei­belt) Die Grup­pe hat­te das Glück, sich am Anfang in der Prä­senz­zeit der Schu­le zu tref­fen. Für den Anfang und den jewei­li­gen Abschluss wur­den Ritua­le ent­wi­ckelt, die digi­tal bei­be­hal­ten wer­den konn­ten. Ein Ergeb­nis der Arbeit war die Fest­stel­lung: Jugend­li­che mit Beein­träch­ti­gun­gen sind durch die Pan­de­mie und ihren Bekämp­fungs­stra­te­gien in ihrer Auto­no­mie ein­ge­schränkt und lei­den unter der Fremd­be­stim­mung. Das Anfangs­ri­tu­al war eine Vari­an­te des Spiels „Ich packe mei­nen Kof­fer“ mit dem Sub­text „Ich spie­le heu­te Thea­ter, und es spie­len mit…”. Ori­en­tie­rung boten die Fra­gen: „Was kann ich?” „Was ist typisch für mich?” „Wer möch­te ich sein?”. Tech­nisch gab es Ein­füh­run­gen in die Gestal­tungs­ele­men­te des Films: Per­spek­ti­ve, Sound­de­sign, Bedie­nung der Kame­ra. Die Vor­er­fah­rung war sehr dif­fe­rent, vom Neu­ling bis zum Ken­ner war alles vertreten.

In Ber­lin-Fried­richs­hain betrieb die Grup­pe der evan­ge­li­schen Kir­che das Pro­jekt „Die Ent­de­ckung der Weih­nachts­in­sel“. Sie konn­ten das Pro­jekt nur mit­tels einer Aus­nah­me­re­ge­lung durch­füh­ren, in dem das jähr­li­che „Krip­pen­spiel“ (erlaubt) den Rah­men gab für eine Stop-Moti­on-Pro­duk­ti­on. Die KuJ konn­ten ihre ganz per­sön­li­chen Erfah­run­gen mit der Coro­na-Zeit ein­fü­gen. Die „Sto­ry“ ent­stand wäh­rend einer zoom-Ses­si­on, eine wei­te­re befass­te sich mit den „Cha­rak­te­ren“. Es ent­stan­den „Papp­fi­gu­ren nach dem South­Park-Vor­bild“ (Geig­hardt). An einem Wochen­en­de wur­den die Ton­stim­men auf­ge­nom­men. Die KuJ durf­ten nur ein­zeln zur Auf­nah­me erschei­nen. „Eine Sekun­de im spä­te­ren Film wür­de min­des­tens 5 – 9 Bil­der benö­ti­gen. Da der Film 16 Minu­ten lang sein wür­de, rech­ne­ten sie lie­ber nicht wei­ter.“ (ebd.) Es wur­den Ani­ma­tio­nen und „green-screens“ aus­pro­biert und die Ein­satz­mög­lich­kei­ten von Auf­nah­me­ge­rä­ten. Posi­tiv bewer­te­ten die KuJ den Effekt, dass trotz der Ein­zel­ar­beit im „Home­of­fice“ ein grup­pen­dy­na­mi­sches Gesamt­werk und „Wir-Gefühl“ entstand.

Das Teil­pro­jekt „#verschwinde(n)“ aus Ber­nau und Ebers­wal­de war aus einem Som­mer­fe­ri­en­pro­jekt zum The­ma „Aus­gren­zung und Mob­bing“ her­vor­ge­gan­gen. Die Bezugs­punk­te, die durch das Pro­jekt gesetzt wur­den, waren einer­seits ein Medi­en­kom­pe­tenz­trai­ning und ande­rer­seits die künst­le­ri­sche Gestal­tung. Gestal­te­ri­sche Fra­gen waren: „Wie kann man den Ein­druck erwe­cken, dass ech­te Gesprä­che statt­fin­den und das Publi­kum in eine Welt ent­füh­ren, die es ein­bin­det? Wie kön­nen geteil­te Bild­schir­me, Musik und Hin­ter­grün­de in Zoom als dra­ma­ti­sches Mit­tel ein­ge­setzt wer­den?“ (Härt­lein) Teil des Medi­en­kom­pe­tenz­trai­nings waren die Aspek­te: ‚Sicher­heit im Netz‘, wie z.B. die Auf­de­ckung von Fake News. Es ent­stand ein Film in Form einer Zoom-Prä­sen­ta­ti­on, der dem Publi­kum zeigt, wie die KuJ ler­nen, krea­ti­ve Ideen umzusetzen.

In den zen­tra­len Erfah­run­gen sub­sum­miert Pro­jekt­lei­te­rin Vero­ni­ka Zim­mer (Thea­ter­päd­ago­gin): „Han­dy, Face­book, Insta­gram – die moder­nen digi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel sind die Medi­en der Jugend! Damit ken­nen sie sich aus, bes­ser als alle ande­ren. Pus­te­ku­chen! (…) So muss­ten wir fest­stel­len, dass ein erheb­li­cher Teil der Arbeit in der Ver­mitt­lung von tech­ni­schen Kom­pe­ten­zen und deren Mög­lich­kei­ten für eine krea­ti­ve Arbeit, aber auch der Dis­kus­si­on von Gren­zen und Gefah­ren der digi­ta­len Medi­en bestand. Dar­aus folg­te, dass in ein­zel­nen Teil­pro­jek­ten ana­lo­ge Tref­fen fast unab­ding­bar blie­ben, min­des­tens so lan­ge bis die­se genann­ten Kom­pe­ten­zen ver­mit­telt waren. Trotz­dem schaff­ten es alle Teil­pro­jek­te, sich künst­le­risch mit den jeweils gewähl­ten The­men aus­ein­an­der­zu­set­zen und span­nen­de Erfah­run­gen und Ergeb­nis­se zu erzie­len.“ Das Ergeb­nis sind begeis­ter­te Kin­der und Jugend­li­che, die sich drin­gend und unbe­dingt ein Fol­ge­pro­jekt wünschen.

Titel­fo­to: Kat­ti Geig­hardt; zwei­tes Foto (Screen­shot): Jaya Härtlein

Erstellt: 31. Mai 2021 
Aktua­li­siert: 8. Juni 2021 

Schul.Theater

Die Seite Schul.Theater lädt alle am Schultheater interessierten Menschen in fünf digitalen Räumen dazu ein, sich über Grenzen hinweg zu inspirieren und zu informieren, zu verbinden und im Forum in den Austausch zu kommen.

Forum Schultheater

Diese Seite wird gerade neu eingerichtet. Bald gibt es hier mehr!